No. 5.
Beiträge zur Kenntniss der Windverhältnisse an der deutschen Küste.
Von Prof. Dr. W. J. van Bebber,
Vorsteher der Abtheilung III der Deutschen See warte.
lieber die Wind Verhältnisse an der deutschen Küste liegen zwar einige Zusammenstellungen für eine
Iteilie von Küstenorten vor, jedoch sind umfassende vergleichende Untersuchungen nicht gemacht worden,
aus welchen wir uns ein detaillirtes Bild verschaffen könnten. Insbesondere sind Zusammenstellungen und
Untersuchungen über Windstärken mit gleichzeitiger Rücksichtnahme auf Windrichtung so gut wie gar
nicht angestellt worden.
Um diese Lücke gewissermaassen auszufüllen, habe ich mich der Arbeit unterzogen, an der Hand der
Beobachtungen, welche an den Stationen der Seewarte Borkum, Keitum, Hamburg, Wustrow,
Kolbergermünde, Neufahrwasser und Memel während des 6jährigen Zeitraumes 1878—1888 ange
stellt wurden, sowohl in Bezug auf Windrichtung als auch auf Windstärke, möglichst eingehend zu unter
suchen. Die Resultate dieser Untersuchung sind im Folgenden niedergelegt worden.
Sowohl die Richtung als auch die Stärke des Windes sind von der Luftdruckvertheilung in der be
kannten Weise abhängig und daher empfiehlt es sich, die Luftdruckvertheilung für den in Betracht! allenden
6jährigen Zeitraum zunächst zu besprechen. Die beigefügten Karten veranschaulichen die Vertheilung des
Luftdruckes in den Jahreszeiten. Die daselbst eingeschriebenen Zahlen bedeuten die Abweichungen vom
langjährigen (30jährigen) Mittel, (siehe Fig. 1, 2, 3, 4.)
Aus diesen Luftdruckkarten geht hervor, dass die mittlere Druckvertheilung in den verschiedenen
Jahreszeiten des betreffenden Zeitraumes von den normalen Verhältnissen wenig abweicht; im Winter und
Frühjahr ist der Luftdruck in dem 6jährigen Zeiträume in unseren Gegenden etwas höher, im Sommer und
Herbst etwas niedriger, als es den vieljährigen Durchschnittswerthen entspricht. Dabei findet im Winter
eine geringe Abschwächung, im Sommer und Herbst eine geringe Verstärkung der Gradienten nach Nord
westen hin statt.
Nach Hann (Vertheilung des Luftdruckes über Mittel- und Südeuropa) steigt über dem Atlantischen
Ozean der Luftdruck am Ausgange des Winters und im Frühjahre etwa von Mitte Januar bis Mitte Mai,
im Sommer und Herbst dagegen fällt er, nur der November macht eine Ausnahme durch eine kurze, aber
erhebliche Zunahme des Luftdruckes. Im Südwesten Europas verhält sich die Sache ziemlich umgekehrt:
der Luftdruck sinkt am Ausgange des Winters und im Frühlinge, und steigt im Sommer und Herbst mehr
als er sinkt. Ueber dem Kontinente Europas (S, E, NE) sind die Aenderungen des Luftdruckes jenen über
dem Nordatlantischen Ozean geradezu entgegengesetzt, nur das Sinken des Luftdruckes vom Mai zum Juni
und vom Juni zum Juli ist gemeinsam. Besonders bemerkenswerth ist der Gegensatz in der Luftdruck
änderung vom Oktober und November.
Unsere Luftdruckkarten (Figuren 1, 2, 3, 4) zeigen im Winter und Herbst eine entschiedene Abnahme
des Luftdruckes nach Norden und nach Nordwesten hin, im Sommer eine Umbiegung der Isobaren über dem
Kontinente nach Südosten, während die mittlere Luftdruckvertheilung im Frühjahre eine sehr gleichmässige
ist. Diese gleichmässige mittlere Luftdruckvertheilung im Frühjahre berechtigt indessen nicht zu dem Schlüsse,
dass im Frühjahre auch die Luftbewegung eine schwache sein müsse, indem ja die Luftdruckmittel aus der
Verbindung von barometrischen Minima und Maxima zusammengesetzt sind, welch’ letztere zu dieser Jahres
zeit nicht selten, insbesondere über Nordwesteuropa, auftreten und längere Zeit verweilen, eine Erscheinung,
die mit den Kälterückfällen in unseren Gegenden in der Frühlingszeit in nahem Zusammenhang steht.
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Archiv 1890. 5.