Adolf Schmidt: Mathematische Entwickelungen etc.
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Das Ideal der Entwickelung dieser Grössen nach Kugelfunktionen wäre erreicht, wenn man die Wertke
derselben für jeden Punkt der Erdoberfläche besässe und aus denselben die bekannten, über die ganze
Fläche erstreckten bestimmten Integrale ableitete, welche bis auf konstante Zahlenfaktoren gleich den
gesuchten Reihenkoeffizienten sind. Dieses Verfahren ist natürlich, da es auf dem vollständigsten Material
beruht, das genaueste; es ist zugleich das einfachste und besitzt den weiteren Vorzug, dass eine nach
trägliche Fortsetzung der an irgend einer Stelle abgebrochenen Reihe die ersten, bereits berechneten
Koeffizienten nicht beeinflusst. In voller Strenge wird es selbstverständlich nie angewendet werden können,
da es einen unendlichen Prozess vorschreibt; wohl aber wird man sich desselben mit immer wachsender
Annäherung bedienen können, je vollständiger und genauer die Beobachtungen werden.
Die wirkliche Ausführung der geschilderten Methode setzt eine natürlich in möglichst grossem Maasstab
gehaltene kartographische Darstellung des in Reihenform zu entwickelnden Elementes voraus. Auf dieser
Grundlage lassen sich die einzelnen Integrale in mehrfacher Art durch graphische Verfahrungsweisen aus-
werthen. Es können beispielsweise zu diesem Zweck planimetrische Messungen dienen, wenn man für jedes
Integral eine besondere Karte herstellt, deren Flächenelement der entsprechenden Kugelfunktion (oder aus
hier nicht näher zu entwickelnden technischen Gründen einer Summe von mehreren derselben) proportional
ist. Graphische Darstellungen und Operationen bleiben zwar stets hinter der Rechnung an Genauigkeit
zurück, wofern diese nicht mit beträchtlicher Abrundung durchgeführt wird. Nichtsdestoweniger würde
eine in der oben angedeuteten oder in ähnlicher Weise vorgenommene mechanische Integration vermöge
der dabei erfolgenden Ausgleichung der einzelnen Ungenauigkeiten sicherlich recht befriedigende Werthe
ergeben können, immer natürlich unter der Bedingung, dass die darzustellende Grösse an jedem Punkte
der Erdoberfläche genau bekannt sei. Gegenwärtig ist diese Bedingung bei den erdmagnetischen Elementen
zwar noch keineswegs erfüllt; trotzdem würde, wie ich glaube, selbst jetzt schon ein zufriedenstellendes
Resultat nach dieser Methode zu erreichen sein, d. h. ein mindestens ebenso gutes wie das auf anderem
Wege gewonnene. In Gebieten, aus denen wmnige oder gar keine Beobachtungen vorliegen, so z. B. in der
antarktischen Zone, wird man übrigens unbedenklich die Ergebnisse der bisherigen Potentialbestimmungen
zur Interpolation verwenden dürfen. Natürlich kann dies Aushülfsmittel zu keiner Verbesserung der Resultate
führen, aber es bringt auch keine merklichen Fehler in dieselben hinein und macht die Anwendung der
vorausgesetzten Methode überhaupt erst möglich. Wenn andrerseits eine genaue magnetische Aufnahme
eines grösseren Gebiets vorliegt, so können deren Resultate gerade bei dieser Methode mehr als bei jeder
anderen ausgenützt werden. Man kann entweder, sei es durch Rechnung, sei es durch eine besondere
Ausmessung, den Antheil dieses Gebiets an den einzelnen Integralwerthen mit besonderer Genauigkeit
feststellen oder wenigstens die dasselbe durchschneidenden Kurven ohne jede Ausgleichung und Generali-
sirung in die Arbeitskarten eintragen. Der dadurch erzielte Gewinn an Genauigkeit ward freilich solange
nicht zur Geltung kommen, als die genau erforschten Gebiete den noch nahezu ganz unbekannten an Grösse
wesentlich nachstehen.
Im geraden Gegensatz zu der vorhergehenden Methode steht diejenige, welche die Kenntniss der
darzustellenden Grösse nur in einer endlichen Anzahl von vereinzelten Punkten voraussetzt. Hier kann
natürlich nur die Rechnung zum Ziele führen. Durch Einsetzung der geographischen Koordinaten eines
jeden Punktes und des zugehörigen Funktionswerthes in die entsprechende Reihenentwickelung erhält man
eine Anzahl von linearen Gleichungen, aus welchen man mit Hülfe der Methode der kleinsten Quadrate
die Koeffizienten der Reihen ableiten kann. Das zu Grunde liegende Beobachtungsmaterial ist hier an
Umfang unendlich viel geringer als das bei dem vorigen Verfahren benutzte; es kann dasselbe aber an
Schärfe und Sicherheit weit überragen, und deshalb kann auch diese Methode, wofern nur die Beobachtungs
punkte zweckmässig vertheilt und genügend zahlreich sind, zu einer genauen Bestimmung hauptsächlich
der ersten Koeffizienten führen. Ein besonderer Vortheil des Verfahrens tritt hervor, wenn man sich
wiederholte Potentialbestimmungen unter steter Benutzung derselben Beobachtungspunkte, z. B. der vor
handenen magnetischen Warten, ausgeführt denkt. Wird in diesem Falle die Bildung und Auflösung des
Gleichungssystems, das zur Berechnung der Koeffizienten dient, allgemein ausgeführt, so erhält man einfache
Endformeln, mit deren Hülfe jede einzelne Potentialbestimmung durch Einsetzung der auf den betreffenden
Zeitpunkt bezüglichen Beobachtungswerthe in einigen Stunden erledigt werden kann. Die Entwickelung
dieses Gedankens und die Darlegung der Vortheile, welche die Verwirklichung desselben für die erdmagne-
Archiv. 1889. 8.
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