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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1889 No. 3 —
zweimal so genau darstellte, als dies der von Gauss berechnete Ausdruck that. Wie es nicht anders
zu erwarten war, zeigten sich dagegen in Punkten, welche der Erman ’sehen Reiselinie fern lagen, weit
stärkere Abweichungen. Nichtsdestoweniger ist diese Arbeit von grossem Interesse, weil sie sich auf ein
im strengsten Sinne einheitliches und nahezu auf dieselbe Epoche bezogenes Beobachtungsmaterial gründet.
Fast 30 Jahre später, 1874, veröffentlichten die beiden soeben Genannten, A. Erman und H. Petersen,
als das Resultat einer ausserordentlich mühsamen und sorgfältigen Arbeit*) die Bestimmung des erdmagne
tischen Potentials für das Jahr 1829. Sie legten dieser Bestimmung, welche im eigentlichen Sinne als eine
verbesserte Wiederholung der von Gauss ausgeführten, ungefähr auf dieselbe Zeit bezüglichen anzusehen
ist, so weit als möglich alle bis 1870 gemachten Beobachtungen zu Grunde, nachdem sie dieselben auf die
gewählte Normalepoche reduzirt hatten. Die sorgsame und planmässige Durchführung dieser Reduktion
bildet ein besonders hervorzuhebendes Verdienst der Er man - Pe terse n ’ sehen Arbeit. Was nun die
Resultate derselben betrifft, so zeigten dieselben allerdings eine bessere Uebereinstimmung mit den Beobach
tungen als die von Gauss berechneten. Indessen war der erzielte Fortschritt im allgemeinen doch nur
geringfügig; eine wesentliche Verbesserung trat nur in solchen Gebieten hervor, aus welchen Gauss selbst
fast gar keine Beobachtungen zu Gebote gestanden hatten Die mittlere Abweichung der berechneten und
der beobachteten Werthe der Komponenten ergab sich gleich 0,005 bis 0,010 also gleich
einem Betrage, der die Unsicherheit sorgfältiger Beobachtungen merklich übersteigt.
Eine neue, auf den Zeitpunkt 1880,0 bezügliche Potentialbestimmung unternahm Quintus Icilius.**)
Derselbe gründete seine Berechnung auf die von der Deutschen Seewarte herausgegebenen Karten der
magnetischen Elemente.***) Ohne die von ihm gefundenen Differenzen zwischen Beobachtung und Rechnung
mitzutheilen, deutet er doch an, dass dieselben nicht wesentlich geringer ausfallen als bei Gauss.
Für die Epoche 1885,0 hat endlich der jetzige Direktor der Deutschen Seewarte, in dem rechnerischen
Theil der Arbeit von dem schon mehrfach genannten, unermüdlichen Forscher H. Petersen unterstützt,
das erdmagnetische Potential abgeleitet und die aus demselben fliessenden Resultate mit den Ergebnissen
der Erfahrung verglichen. Mehrere Karten, welche die Vertheilung der magnetischen Elemente und der
aus diesen berechneten Potential werthe auf der Erdoberfläche darstellen, sind kürzlich in der neuen
Ausgabe von Berghaus’ „Physikalischem Atlas“ erschienen; hiervon abgesehen sind die Grundlagen und
Ergebnisse der Rechnung noch nicht veröffentlicht. Ein deutliches Bild von denselben und eine Ent
wickelung der wesentlichsten Folgerungen aus ihnen giebt indessen der von Herrn Neumayer in der
Eröffnungssitzung des VIII. Deutschen Geographentages gehaltene Vortrag.f) Aus den darin von dem
Vortragenden gemachten Mittheilungen wie aus den der Versammlung vorgelegten, ausserordentlich zahl
reichen und mit peinlicher Sorgfalt ausgeführten Karten geht hervor, dass keine der bisherigen Potential
bestimmungen auf einem so umfassenden und zuverlässigen Beobachtungsmaterial beruht, wie diese neueste.
Dieser schon bei flüchtiger Betrachtung sich aufdrängende Eindruck, den eine eingehende Besichtigung der
Karten, wie sie durch die Freundlichkeit des Verfassers dem Schreiber dieser Zeilen ermöglicht wurde, nur
verstärkt, berechtigt zu der Annahme, dass in der vorliegenden Potentialbestimmung im wesentlichen die
jenige Anschmiegung der Theorie an die Erfahrung erreicht worden ist, welche auf dem bisher betretenen
Wege überhaupt erreicht werden kann. Freilich ist — dies wurde von dem durch seine amtliche Stellung
wie durch seine wissenschaftliche Thätigkeit mehr als jeder Andere mit der Gesammtheit des zur Zeit
vorliegenden Forschungsmaterials vertrauten Vortragenden ausführlich dargelegt — unsere empirische
Kenntniss von dem magnetischen Zustand der Erdoberfläche noch immer eine recht lückenhafte. Von
grossen Gebieten besonders der südlichen Halbkugel wissen wir noch sehr wenig, von der antarktischen
*) Die Grundlagen der Gaussischen Theorie und die Erscheinungen des Erdmagnetismus im Jahre 1829. Mit
Berücksichtigung der Säkularvariationen aus allen vorliegenden Beobachtungen berechnet und dargestellt von A. Erman
und H. Petersen. Herausgegeben im Aufträge der Kaiserlichen Admiralität. Berlin 1874.
**) Der magnetische Zustand der Erde nach den von der Deutschen Seewarte herausgegebenen magnetischen Karten
für 1880,0 berechnet von G. v. Quintus Icilius. — Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. IV. Jahrgang, 1881. No. 2.
***) Dieselben sind nebst ausführlichem Quellenverzeichniss in den Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteo
rologie, 1880, H. XII, erschienen.
f) Ueber das gegenwärtig vorliegende Material für die erd- und weltmagnetische Forschung. Vortrag gehalten auf
dem VIII. Deutschen Geographentage zu Berlin von Geheimrath Dr. G. Neumayer in Hamburg. Verhandl. d. VIII. D. G.-T.
z. B. Berlin 1889.