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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 18S8 No. 5 —
Da Minima und Maxima die auf- und absteigenden Theile von Luftzirkulationen darstellen, so muss,
weil die zirkulirende Luftmasse in beiden zusammen dieselbe bleibt, auch selbstverständlich so viel Luft
aus dem Maximum ins Minimum strömen, wie umgekehrt aus dem Minimum ins Maximum gelangt und es
ist ganz gleichgültig, ob das Auf- und Absteigen einfach oder wirbelnd geschieht, oder ob die Maxima oder
Minima diese oder jene Lage zu einander haben, oder ob eins oder mehrere in der Nachbarschaft vor
handen, die vorhandene zirkulirende Luftmenge bleibt dieselbe und wenn man die zentrifugalen und zentri
petalen Strömungen erstere als positiv, letztere als negativ angesehen, beim Minimum und Maximum addirt,
so muss die Summe in allen Schichten der Atmosphäre = 0 sein. Macht man hierauf die Probe, so findet
man, dass es sich ganz anders verhält.
Die Volumina ein- (—) und ausströmender ( + ) Luft sind in der Region des
ob. Cirrus
unt. Cirrus
Wölkchen
Wolken
unt. Gewölk.
Windes
im Sommerhalbjahr
beim
Minimum
-f-2.5
+ 4.7
—2.3
+ 9.7
—2.3
—14
(s.
Tab. 49)
J?
Maximum
—24
—6
+ 13
— l.i
+ 14
+ 11.5
(»
„ 51)
Mittel
—10.7
—0.6
+ 5.3
+4.3
+ 5.8
—1.2
im Winterhalbjahr
beim
Minimum
—4.4
+45
+52
+31
—7.5
— 15
(„
„ 50)
}>
Maximum
—8.5
—17
—24 5
+ 12
+ 38
+21
(»
„ 52)
Mittel
—6.4
+ 14
+ 13.7
-f-21.5
+ 15.2
+ 3 '
im Jahresmittel
beim
Minimum
—6.8
+ 19
+ 33
+ 27
—8.3
—15
(„
„ 53)
n
Maximum
—15
— 9.9
+ 1.1
+ 0.4
+23
+ 16
» 54)
Mittel
—10.9
+4
+ 17
+ 13.7
+ 7.3
+ 0.5
(siehe die mittlere gestrichelte Kurve
in Fig. 45).
Aus den hier gefundenen Mittelwerthen ergiebt sich, dass sowohl im Sommer- wie auch im Winter
halbjahr, unabhängig von Minimum und Maximum, in den untern Theilen der Atmosphäre überwiegend
Luft ausströmt, im Sommer weniger, im Winter mehr, dass die Ausströmung nach oben hin abnimmt, auf
hört, und weiter herauf vorwiegender Einströmung Platz macht. — Der Gang der Kurve des Jahresmittels,
welche wegen der grössten Anzahl von Beobachtungen, diese Verhältnisse am genauesten darstellen muss
(siehe Fig. 45 die gestrichelte mittlere Kurve), lässt vermuthen, dass in den obern Regionen der Atmosphäre
so viel Luft einströmt, wie unten herausfliesst. Jedenfalls weicht bei zwangloser Weiterführung der Kurve
durch die obern 4 Zehntel der Atmosphäre das obere durch die Kurve begrenzte Feld links von der Null-
Linie in Betreff seines Inhalts, welcher die Summe der ein strömenden Luft-Volumina darstellt, nicht viel
ab von dem unteren durch die Kurve begrenzten Felde rechts von der Null-Linie, dessen Inhalt der Summe
der aus strömenden Luftmassen entspricht. Die oben einströmende Luft kann nur von den grossen oben
durchgehenden Strömungen herstammen, ebenso kann die unten ausströmende nur mit den untern grossen
durchgehenden Strömungen herausgelangen. Berücksichtigt man, dass die obern im Jahresmittel etwa süd
westlich gerichteten Ströme sich dem Kältepol nähern und dabei in immer kleinere Räume Vordringen, die
untern nordwestlich gerichteten sich vom Kältepol entfernen und in immer grössere Räume gelangen, so
ist der natürliche Hergang der, dass aus den obern in dem Maasse, wie der Raum sich verengt, successive
Luft herabsinkt, die nun unten sich den in immer breitere Betten gelangenden nordwestlichen Strömungen
anschliesst. Es werden oben fortwährend im Verhältnisse der Raumverminderung Lufttheile auf ihrem Wege
zum Pole gehindert, weiter sich demselben zu nähern, sie sinken herab und kehren auf kürzerem Wege,
ohne den Pol erreicht zu haben, zum Aecpiator zurück. Diese durch die Beobachtungen notliwendig sich
ergebende Annahme stimmt mit dem überein, was die Experimente in dieser Beziehung erkennen lassen.
Da die hierher gehörigen Versuche zugleich mit geringen Modifikationen eine Anschauung gewähren
von andern in dieser Untersuchung berührten Vorgängen, namentlich von dem Einflüsse der Wanderung
des Kältepols auf das Hin- und Herschwanken der grossen Strömungen, so mag es zum Schlüsse erlaubt
sein, diese Versuche im Zusammenhänge hier kurz zu beschreiben.