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Erdatmosphäre vorfinden, soweit wir uns die Atmosphäre in etwa 4 deutschen Meilen Höhe begrenzt denken.
Auch wird es von Ferrel anerkannt, dass jener Werth 35° 16' nur in dem besonderen Fall sich ergiebt,
dass eine Bewegung der Luft nach dem Gesetz der Flächen unter Ausschluss von Kräften statthabe, welche
im Sinne des Breitekreises wirken. Zu diesen ausgeschlossenen Kräften gehört vor Allem die Reibung am
rauhen Erdboden. Das Vorhandensein der letzteren bedingt für Auffindung der Grenze von Ost- und West
passat eine neue Rechnung, welche nicht ausgeführt ist. Daher sagt Ferrel auf S. 210 seines Werkes, dass
der wahre Bewegungs-Zustand der Atmosphäre nur eine schwache Aehnlichkeit mit den Ergebnissen jener,
die Bodenreibung nicht berücksichtigenden Theorien haben könne, dass diese Aehnlichkeit aber immerhin
vorhanden sein müsse. „There is a slight approximation towards the results of the case without friction,
§ 149, as represented in Fig. 3, hut instead of the very great east and west components of velocity in that
case, we have in the case of nature comparatively very small ones, and consequently a very small Variation
of pressure in comparison between the equator and the pole.“
Ferrel bemüht sich auch, den Reibungs-Einfluss des rauhen Erdbodens zu berücksichtigen, und findet
S. 198 und 199 als Resultat, dass in mittleren Breiten die Westwind-Komponente in der Höhe Maximal-
werthe erreicht, welche nach dem Pole hin abnehmen und sich dort dem Werthe Null nähern, während
dieselben Werthe in der Theorie ohne Berücksichtigung der Bodenreibung sich dem Werthe Unendlich
nähern. Dies ist ja auch in meiner Arbeit gezeigt, und stimmen in diesen und allen übrigen Punkten,
soweit ich in den Gegenstand einzudringen vermochte, meine Anschauungen mit denen Ferrel’s überein,
welche ich mir zu eigen machte und benutzte, bevor ich die Arbeit für das „Archiv“ schrieb.
Derzeit hatte ich jedoch die Befürchtung, welche nun nach dem Studium des neuesten Werkes ge
schwunden ist, dass Ferrel der Theorie ohne Berücksichtigung des Reibungswiderstandes am rauhen Erd
boden zu viel Bedeutung beilege. Diese Befürchtung war besonders durch den Umstand genährt, dass ich
vielfach bei Besprechungen und Wiedergabe der Ferrel’schen Theorien einer Darlegung begegnete, als ob
die theoretische Behandlung des Stoffes mit Vernachlässigung der Reibung am rauhen Erdboden die Haupt
aufgabe sei und die daraus fliessenden Zahlenresultate sich direkt, wiewohl in abgeschwächter Grösse,
in der Natur wieder finden müssten. Dieser Auffassung trete ich entgegen; denn so grosse Unterschiede,
wie sie zum Schluss meiner Abhandlung hervorgehoben sind, können nicht die Bezeichnung der Annäherung
zwischen dem Rechnungs-Resultat und der Natur zulassen.
Die neueren Versuche Ferrel’s, die allgemeine Luftzirkulation der Atmosphäre, unter Berücksichtigung
der Reibung der Luft am rauhen Erdboden, zu beschreiben und zu berechnen, laufen meinen Bemühungen
parallel, welche hier im „Archiv“ veröffentlicht sind.
Die kürzlich in den Sitzungs-Berichten der Berliner Akademie erschienene Arbeit des Herrn Professor
Oberbeck (Ueber die Bewegungs-Erscheinungen der Atmosphäre) gelangte erst vor einigen Tagen in meine
Hände, und ich muss mich daher eines Urtheils über die Beziehungen seiner Resultate zu den meinigen
noch enthalten. Erwähnen möchte ich nur, dass der Weg, auf welchem Herr Oberbeck vorgeht, von dem
ineinigen sehr verschieden ist, da er die atmosphärische Zirkulation gänzlich auf dem Wege der mathe
matischen Analyse deduktiv aufzubauen sucht, während ich mich bemühe, aus dem Schlussresultat aller
Einflüsse, soweit es die Natur selbst zieht und der Beobachtung zu erkennen giebt, Folgerungen abzu
leiten, welche uns einen Einblick in das Getriebe derjenigen meteorologischen Vorgänge gestatten, die sich
der direkten Beobachtung aus praktischen Gründen entziehen. Der verschiedene Weg ihrer Gewinnung würde
eine allfällige Uebereinstimmung der Resultate um so werthvoller machen.
M. Möller.