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sich immer steiler aufzurichten und verschärftes Gefälle gegen den Pol hin zu erzeugen. Die Neigungs-
Zunahme der Flächen gleichen Druckes würde sich also ausserordentlich steigern, wie Ferrel dies ja auch
findet, wenn nicht die Reibungs-Widerstände dieser Entwickelung ein Ziel setzten. Vor allen Dingen ver
liert die Luft bei Berührung mit dem rauhen Erdboden an Westost-Rotation, so dass die Flächen gleichen
Druckes in der Tiefe nicht in unbegrenzter Weise an Steilheit gewinnen können. Es ist der beschriebene
Vorgang an die Bedingung gebunden, dass die Arbeit, welche durch die Temperatur-Differenzen bei dem
Uebertritt der Luft in andere weniger geneigte Flächen gleichen Druckes der Tiefe geleistet wird, im Stande
sei, die durch Reibung entstandenen Arbeits-Verluste aufzuwiegen. Das verfügbare Arbeitsquantum aber
ist im gegebenen Fall konstant und unabhängig von der Neigung der unteren Schichten, resp. der Westwind-
Geschwindigkeit v. Mit wachsendem v wächst nun die Reibung, also die zu leistende Arbeit, so dass die
Gleichung zwischen der treibenden und der zu leistenden Arbeit nur bei einem gewissen Wertlie v in Er
füllung geht.
Die Steilheit des Gefälles der Flächen gleichen Druckes der Tiefe ist hiernach von 3 Umständen ab
hängig. Erstens begünstigen starke meridionale Temperatur-Differenzen eine Zunahme des meridionalen
Gefälles, also auch eine Zunahme der Westwinde der Tiefe. Zweitens begünstigen lokale auf- und nieder
steigende Luftströme die Massenmischung zwischen oberen und unteren Luftschichten, also die Arbeitsleistung
der meridionalen Temperatur - Differenzen erhöhend. Drittens dagegen vermindern starke Reibungs-Wider
stände die Stärke des Westwindes der Tiefe und vermindern diese somit auch die Entstehung meridionaler
Druckabnahme.
Aus jenen drei Beziehungen ist Folgendes abzuleiten: Der Umstand 3 gestattet über den Meeren stets
grössere meridionale Druckabnahme als über dem Lande. Der vertikale Massenaustausch (Umstand 2) ge
langt im Sommer häufig über dem Lande zu grösserer Wirksamkeit als über dem Meere. Im Sommer
nämlich erwärmt die Sonne die Kontinente stärker als die Meere und kann daher die Entstehung vertikaler
Ströme und Massenmischung im Sommer über dem Kontinente sich bisweilen stärker entwickeln als über
den Meeren. Im Winter dagegen lagert über den Kontinenten in der Tiefe kalte Luft, welche keinen Auf
trieb besitzt und die Mischung übereinander lagernder Massen beeinträchtigt. Im Winter sind im Allgemeinen
die horizontalen meridionalen Temperatur-Differenzen in der gemässigten Zone grösser als im Sommer; dies
gilt besonders von den Theilen der Erdoberfläche, woselbst in höheren Breiten kalte Landflächen, in be
nachbarter niedrigerer Breite wärmere Meeresflächen sich ausdehnen. Wir gelangen also zu folgenden
Resultaten:
Die Neigung der Flächen gleichen Druckes muss vom 30 sten Kreise polwärts im Jahresmittel über den
Meeren im Allgemeinen steiler abfallen als über den Kontinenten, da über den Meeren die Reibung gering
ist. Diese stärkere Druckabnahme höherer Breiten tritt über den Meeren zumal im Winter hervor, weil im
Winter die meridionalen Temperatur-Gegensätze grösser sind. Ueber den Kontinenten flacht der am 30 sten
Kreis hohe Druck polwärts langsamer ab als über den Meeren, weil die Reibung der Luftbewegung über
dem Lande grösseren Widerstand entgegeustellt. Es erstreckt sich das Druckmaximum des 30 sten Grades
daher über den Kontinenten als vorgeschobene Zunge weiter polwärts hinauf, und verursacht dieses in den
Breiten 40, 50 und 60 über den Kontinenten höheren Druck als über den Meeren, woraus sich ein Gegen
satz der Klimate im Osten und Westen der Kontinente ergiebt. In Europa z. B. verwandelt der hohe Druck
im Innern des Kontinentes die Westwinde an der Küste in Südwestwinde. Im Osten Asiens dagegen be
dingt der hohe Druck im Innern des Kontinentes an der Küste Nordwestwinde. Also erfährt das Klima der
Westküsten aller Kontinente eine Temperatur-Steigerung, hingegen das Klima der Ostküsten Temperatur-
Erniedrigung. Im Sommer tritt die Ausbildung des höheren Luftdruckes über den Kontinenten am 40 sten , 50 sten
und 60 sten Breitekreise zurück, vielmehr nehmen alsdann die Flächen gleichen Druckes der Tiefe über deu
Kontinenten vom 30 stem Kreise polwärts stärkere Neigung an, weil der die Ausbildung der Neigung be
günstigende Umstand 2, d. h. das Auftreten vieler vertikaler Luftströme über dem Lande, vorwiegend an
Einfluss gewinnt.
In hohen Breiten befindet sich im Allgemeinen in oberen Regionen relativ warme, aus wärmeren
Gegenden dahin geflossene Luft, in der Tiefe dagegen relativ kältere Luft. Der Massen-Austausch von oben
und unten wird daher polwärts in hohen Breiten abnehmen, weil die Luft der Tiefe selten Auftrieb ver
spürt, und mithin schwächt sich das Arbeitsvermögen der horizontalen Temperatur-Differenzen in hohen