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Full text: 10, 1887

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5. Ferrels Rechnungen. 
Wiewohl die Anschauung Ferrels über die allgemeine Luftzirkulation unserer Erdatmosphäre klar und 
einfach genannt werden muss, so ist Ferrel dennoch in seinen späteren Abhandlungen, welche das Problem 
mathematisch zu verfolgen suchen, so sehr von den wahren in der Atmosphäre anzutreffenden Druck-Ver 
theilungen und Windgeschwindigkeiten abgewichen, dass diese Rechnungen, an sich von hoher theoretischer 
Bedeutung, den wahren Verhältnissen weitaus weniger entsprechen, als die in schlicht logischer Weise 
gegebenen Darlegungen derselben Theorie in früheren Arbeiten Ferrels, in denen die Rechnung zurück 
tritt. Die mathematische Behandlung eines Stoffes, wenn sie im Dienste der Praxis ausgeführt werden soll, 
darf niemals Selbstzweck werden, sondern muss sich den wahren Verhältnissen auch dort eng anschliessen, 
wo durch die Berücksichtigung von solchen Momenten, welche eine feine mathematische Behandlung nicht 
zulassen, die mathematische Entwickelung leidet. Die ganze Arbeit sieht dann zum Schluss zwar weniger 
akademisch aus, weil in derselben mehr geschrieben, als gerechnet ist, aber der Werth derselben ist erhöht, 
weil die Resultate der schlichteren, aber alle Einflüsse abwägenden Ableitung wahrheitsgetreuer ausfallen, 
als die Resultate ungenügend fundirter, langwieriger Rechnungen, welche einzelne Einflüsse mit dem Sezir- 
messer mathematischer Spekulation bis in alle Feinheiten verfolgen und andere Einflüsse ganz oder fast 
ganz unberücksichtigt lassen. Es muss eben überall, wo schwierige Probleme zu lösen sind, mehr erwogen 
als gerechnet werden. 
Den mathematischen Entwickelungen legt Ferrel für alle Höhenschichten Westwind-Geschwindigkeiten 
zu Grunde, welche vom 38 sten Breitengrade bis zum Pole auf die Stärke unendlich anwachsen, während in Wirk 
lichkeit die Westwindstärke, gerade diesem entgegen, in der Höhe der höchsten Wolken am 38 sten Grade 
höchstens 30 bis 50 m beträgt und gegen den Pol in den Werth Null übergeht. Ebenso abweichend von 
den Zuständen unserer Erdatmosphäre sind die Voraussetzungen bezüglich des Luftdruckes, nämlich, dass 
am 35 sten Grade ein Druck von annähernd 2 Atmosphären, am Pol aber Luftleere der Rechnung zu 
Grunde gelegt wird. 
Die angedeuteteu Abweichungen verhindern, dass die Ferrel’schen Rechnungen angewendet werden 
dürfen, um meteorologische Vorgänge erklären zu wollen und bedingen, dass es erforderlich ist, sich genauer 
mit dem wahren Sachverhalt bekannt zu machen. Ferrel hat zwar versucht auch quantitativ aus seinen 
Rechnungen Schlussfolgerungen zu ziehen, z. B. die Lage der Druckgürtel an den Grenzen der gemässigten 
Zonen abzuleiten. Der von F er r ol gefundene Werth, der 38 ste Grad, scheint mir lediglich ein Ausfluss der Vor 
aussetzung zu sein, dass gerade am 38 sten Grad die Luftbewegung sich der Bewegung der Erdrotation genau 
anpasse und an allen anderen Orten von der Rotation der Erdoberfläche abweiche. Jede beliebige andere 
Annahme hätte einen anderen Breitenwinkel als 38° für die Lage des Druckmaximums ei'geben. 
Der Glaube, die Lage des Druckgürtels halbwegs rechnerisch festgelegt zu haben,*) ist aber recht 
nachtheilig; denn dadurch wird das Interesse von einer wuchtigen atmosphärischen Erscheinung vorzeitig 
abgelenkt und somit der Forschungstrieb gehemmt. 
Aus Obigem geht hervor, dass eine Anlehnung an dio Ferrel’schen Rechnungen nicht geeignet ist 
zu einer Erklärung der. atmosphärischen Zirkulation zwischen Aequator und Pol zu führen, sondern dass 
hierfür, wie für die Entstehung des Maximums der Rossbreiten, ein selbsständiger Weg eingeschlagen 
werden muss. 
6. Oie Arbeits-Leistung, hervorgerufen durch die Temperatur-Differenzen in der Atmosphäre. 
Die vielfache Gestalt, in welcher uns die Energie der Bewegung in der Natur entgegentritt, bildet 
das Räthsel aller Natur-Erscheinungen. Die Sonnen-Wärme findet sich aufgespeichert in den Kohlen- 
Minen unter dem Erdboden und treibt nun nach Millionen Jahren ungestörten Schlafes alle Betriebe unserer 
modernen Technik. Die Sonnen-Wärme schafft uns die Nahrung durch die Wirkung chemischer Zersetzung 
des Pflanzensaftes und der die Pflanze ernährenden Luft, sie schafft die Winde, die Wolken, den Donner, 
die Ströme und Seen. In diesen und in weiteren nicht aufzuzählenden Adern geheimen Wirkens pulsirt 
die Sonnen-Wärme, welche alljährlich unserem Erdball zuströmt. Wie viel von dieser Energie, das ist 
die Frage, wird zur Erzeugung der Winde verwendet und ein wie grosser Theil der Gesammt-Energie hat 
: ) Vergl. „Lehrbuch der Meteorologie“ von Dr. Sprung, Seite 202.
	        
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