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Eine Betrachtung der nach diesen Tabellen konstruirten Karten zeigt eine ganz befriedigende Ueber-
einstimmung mit denjenigen für das vorhergehende Lustrum; die Abweichungen werden wir weiter unten
noch näher besprechen.
VII. Charakteristik der einzelnen Zugstrassen und ihre Beziehung zu den Witterungs-Phänomenen.
Der den einzelnen Zugstrassen eigentümliche Witterungschärakter und seine Umwandlungen wurde
bei der Untersuchung des Lustrums 1876/80 eingehend besprochen und die allgemeinen Grundzüge der hieraus
sich ergebenden Wettertypen nach Maassgabe des Materials angegeben. Das letztere war auf die einzelnen
Zugstrassen ungleichförmig vertheilt, so dass in einigen Fällen der typische Charakter mit grosser Wahr
scheinlichkeit festgestellt werden konnte, in anderen jedoch das dürftige Material kein entscheidendes Resultat
lieferte. Es erscheint nun von grossem Interesse und Wichtigkeit, die früher ausgesprochenen Ergebnisse
an der Hand des neuen Materials von 1881/85 zu prüfen und dieselben hiernach entweder zu bestätigen oder
zu niodifiziren. Daher legen wir bei der folgenden Besprechung dieselbe Eintheilung wie früher zu Grunde.
1. Zirgstrasse I. a) Kältere Jahreszeit (Oktober bis März). Von fast entscheidender Bedeutung
für die Witterungs-Verhältnisse unserer Gegenden ist bei dieser für Europa wichtigsten Zugstrasse die Lage
des barometrischen Maximums, indem hierdurch der Wirkungskreis der Depressionen im hohen Nordwesten
bestimmt wird. Wir unterscheiden hier drei verschiedene Fälle, je nachdem das barometrische Minimum
über Südost-Europa (insbesondere über Oesterreieh-Ungarn), oder Süd-Europa (insbesondere über Süd-
Frankreich und dem Alpengebiet) oder Zentral-Europa lagert. Von den 42 hier in Betracht kommenden
Zugstrassen entfallen für den ersten Fall 15, für den zweiten 17 und für den dritten 10. Die beiden
ersteren Fälle sind häufig kombinirt, so dass ein Maximum im Südwesten und ein anderes im Südosten
Europas lagei’t.
1) Maximum über Südost-Europa. Die Isobaren über Mittel-Europa haben eine nordöstliche
Richtung, so dass die ozeanische Luft über Süd- und Mittel-Europa freien Zutritt hat. Dieser Typus ist
ziemlich selten rein ausgeprägt, wie z. B. am 11., 12. Oktober und 28. Dezember 1876, am 30. Dezember 1878,
am 27. und 28. November 1881, und dann breitet sich das warme Wetter über ganz Nordwest- und Mittel-
Europa aus, wobei das liegengebiet meist west-ostwärts vordringt. In den meisten Fällen kommen auf der
Südseite des Hauptminimums entweder auf dem Ozean oder im Süden der britischen Inseln Randbildungen
vor, welche in Form von Furchen niederen Luftdrucks west-ostwärts fortschreitend, die ozeanische Luft
strömung von unserm Kontinente abhalten, so dass in unserer Gegend zunächst südöstliche und südliche,
dann nördliche und nordwestliche Winde zur Herrschaft kommen. Diese Randbildungen sind besonders in
der Gegend des Kanals ausserordentlich häufig und zwar nicht allein bei diesem Typus, sondern überhaupt
bei allen Depressionen, die über Nordwest-Europa vorbeischreiten und haben auf die Wirksamkeit der Wetter
prognosen und der Sturmwarnungen einen nachtheiligen Einfluss, so dass es sich sehr lohnen würde, die
selben einer eingehenden Spezial-Untersuchung zu unterziehen. Als Beispiele führe ich an: 28. und 29. Nov.
1881, 4. November 1885, 5. und 6. Dezember 1884, 5. Januar 1885, 27. März 1885. Durch diese Theil-
bildungen geht die Depression nicht selten über in eine breite Furche niederen Luftdrucks, insbesondere
dann, wenn im Mittelmeer eine grössere Depression lagert. Dieses war beispielsweise der Fall am 7. und
8. Dezember 1881 und am 4. und 5. November 1883. Eine solche Furche ist charakterisirt durch trübes
regnerisches Wetter mit meist schwacher Luftbewegung. Es sei noch bemerkt, dass die Entwickelung oder
das Herannahen solcher Theildepressionen meistens erkannt werden können durch die eingenthümlichen
Aenderungen in den Wind- und Druck-Verhältnissen und den eigenartigen Verlauf (Divergenz) der Isobaren
auf der Süd- und Südwestseite der britischen Inseln.
2) Maximum über Süd-Europa. Bei dieser Situation haben die Isobaren eine mehr östliche
Richtung als im vorhergehenden Falle und herrscht lebhafte, vielfach stürmische, zumeist südwestliche, nachher
gewöhnlich westliche und nordwestliche Luftströmung. Das Regenwetter dringt in der Regel tief in den
Kontinent hinein, wobei die Temperatur erheblich über der Normalen liegt. Sehr häufig folgt ein zweites
Minimum nach; ist dieses nicht der Fall, so ist Abnahme der Temperatur zu erwarten. Die Entwicklung
von Theildepressionen auf der Südseite der Minima ist viel seltener, als im vorhergehenden Fall.
3) Maximum über Zentral-Europa. Diese Situation bedingt über Zentral-Europa leichte kon
tinentale Winde bei stark nebligem, zuweilen heiterem Wetter ohne messbare Niederschläge. Bei Untersuchung