18
Eine sichere Beziehung zwischen der Fortschreitungs-Geschwindigkeit der Gewitter und ihrer Stärke oder
Ausbreitung lässt sich aus den vorstehenden Angaben nicht herleiten. Bezeichnet man diejenigen Gewitter,
deren Gang mindestens 8 Stunden lang verfolgt werden konnte, als stärkere, die übrigen als schwächere
oder lokale, so würde dies Kriterium in manchen Einzelfällen nicht einmal als einwurfsfrei erscheinen.
Die Rechnung ergiebt für die hiernach stärkeren Gewitter 5, 6, 9, 12, 17, 19, 22 eine mittlere Fortpflanzungs-
Geschwindigkeit von 38.31 Km., für die übrigen 36.37 Km. in der Stunde (bezogen auf Ortszeit), also kaum
einen Unterschied.
Die Betrachtung der Isobaren und Isothermen (Tafel II—V) ergiebt, dass, wie schon mehrfach ander
weitig gefunden, das ausbrechende Gewitter auf seiner Vorderseite in der Regel ein Druck-Minimum und
ein Temperatur - Maximum hat. Bezüglich des Luftdrucks kann das Gleiche auch entnommen werden aus
der Form der Barogramme (Fig. 1—4), welche bei jedem Gewitter die meist als „Gewitternase“ bezeichnete
ruckweise erfolgende Drucksteigerung zeigen. An den betreffenden Stellen der Zeichnung sind die Nummern
der zugehörigen Gewitter angeschrieben.
In Betreff des Niederschlags waren genauere Studien nicht ausführbar, weil die Stationen zwar
meistens die Zeit, aber nicht die Menge der einzelnen Regengüsse angeben. Indessen konnte doch fest
gestellt werden, dass die sämmtlichen Gewitter von Niederschlag begleitet waren, sowie dass vielfach das
Gewitterfeld noch von einer Regenzone umgeben war. Mitunter wurden auch die in der Gewitterfront vor
handenen Lücken durch Niederschlag ausgefüllt.
Bemerkenswerth sind einige wiederholt auftretende Einzelnheiten in Betreff der Wirkungen, welche
Gebirge und Flüsse auf das Fortschreiten der Gewitter ausüben.
Die Gebirge ziehen das Gewitter derartig an, dass sie sein Herannahen beschleunigen, sein
Abziehen verlangsamen. In der vorstehenden Beschreibung der einzelnen Gewitter sind solche Fälle viel
fach vorhanden. Die Flüsse dagegen erweisen sich geradezu als Hindernisse. Viele Gewitter werden
ganz oder auf einem Theil ihrer Front zum Auf hören gebracht, sobald sie das Ufer eines grossen Flusses
erreichen. Wird aber der Fluss überschritten, so geschieht dies mitunter in einer eigenthümlichen Weise,
indem nach vorausgegangener Annäherung an das eine Ufer zuletzt das Gewitter auf beiden Ufern gleich
zeitig ausbricht. Nachweisbar ist diese Erscheinung bei den Gewittern 5 (6 P an der Weser), 19 (6^ und
7V an der Elbe) und 22 (4 P am Rhein, 5P an der Weser, 7^ an der Elbe); indessen kann wohl angenommen
werden, dass bei grösserer Dichtigkeit des Stationsnetzes das Gleiche auch noch in anderen Fällen er
kennbar gewesen wäre. Merkwürdig ist auch das oft vorkommende seitliche Ausdehnen der Front.
Wenn nämlich ein Gewitter auf einem Theil seiner Front durch ein Hinderniss (Gebirge oder Fluss) zurück
gehalten wird, so eilt der nicht behinderte Theil voraus; ist dieser neben dem Hinderniss vorübergekommen,
so dehnt er seine Front seitwärts aus, derartig, dass dieselbe bald wieder solche Länge und Stellung erhält,
wie wenn das Hinderniss gar nicht vorhanden gewesen wäre.
Eine mechanische Deutung dieser Einzelheiten ist leicht, wenn man annimmt, dass jedes Gewitter an
einen aufsteigenden Luftstrom gebunden ist. Diese Voraussetzung gründet sich auf die bekannten Unter
suchungen von Koppen, v. Bezold, Assmann, Ferrari, und wird auch durch die oben erwähnte
Thatsache bestätigt, dass die hier untersuchten Gewitter sich im unmittelbaren Gefolge barometrischer
Depressionen, d. h. also aufsteigender Luftströme, befanden. Ein solcher aufsteigender Strom hat als
Basis einen schmalen Streifen, zusammenfällend mit der Gewitterfront, und schreitet senkrecht zu seiner
Längsrichtung fort. Genährt wird er durch Luftmassen, welche von beiden Seiten (entgegen und hinterher)
diesem Streifen Zuströmen. Wird von einer Seite diese Strömung gehindert, so überwiegt der von der
andern Seite kommende Luftstrom und sucht das Ganze gegen das Hinderniss hin zu bewegen. Die Orts
veränderung des aufsteigenden Stromes fällt erfahrungsmässig mit der Richtung der herrschenden Luft
strömung zusammen, und zu dieser Bewegung tritt noch als weitere Komponente die eben erwähnte gegen
das Hinderniss gerichtete hinzu. Besteht dieses in einem Gebirge, so muss das Gewitter, welches sich
nach dem Gebirge hinbewegt, durch dessen Einfluss eine Beschleunigung erfahren; liegt aber das Gebirge
im Rücken des Gewitters, ist also dies im Begriff, sich von jenem zu entfernen, so wirkt die erwähnte
Komponente der Gesammtbewegung entgegen, das Gewitter wird vom Gebirge gewissermaassen festgehalten,
sein Fortschreiten verlangsamt.