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Das Minimum der Temperatur und die Luftfeuchtigkeit;
Gesetz ihrer Yertheilung.
Nachts sinkt die Temperatur bis sie den Thaupunkt erreicht, verzögert aber dann ihre Abnahme, theils
wegen der hei der Kondensation frei werdenden Wärme, theils wegen der durch den eventuell erzeugten
Nebel verhinderten Ausstrahlung, und sinkt wahrscheinlich niemals bedeutend unter die Temperatur dieses
Thaupunkts (vergl. „Meteorolog. Zeitschrift. 1886.“ S. 124). Am folgenden Morgen bewirkt die Sonne
zunächst die Wiederaufnahme des grössten Theiles dieser ausgeschiedenen Feuchtigkeit, und wir dürfen an
nehmen, dass diese Wiederaufnahme in den Sommermonaten schon um 8 h fast vollendet sein wird. Um
uns hierüber Rechenschaft zu geben und dabei genauere Kenntniss vom täglichen Gang der Feuchtigkeit
zu gewinnen, als es aus zweimal täglichen Beobachtungen eben möglich war, thun wir einen Einblick in
das Lehrbuch der Meteorologie von Schmidt (1860, S. 619 seq.) Für Halle entnehmen wir dort Folgendes:
Tab. XI. Täglicher Gang der Feuchtigkeit in Halle.
IV
V
VI
VII
VIII
IX
Zunahme bis
.. 9—10'*
8—9 h
9 h
8 h
8—9 h
10 h
Vorm.
Abnahme =
l h
4 h
3 h
4 h
3—4 h
4—5 h
Nachm
Zunahme *
7 h
8”
8 h
8 h
9 h
10 h
Ab.
Abnahme =
4 h
8—4 h
2—3 h
2 —3 h
2—3 h (?)
4 h
Morg.
und ferner entnehmen wir (S. 270
sequ.):
Wendepunkt
der Temperatur am
Morgen.
Die tiefste Temperatur findet
IV
V
VI
VII
VIII
IX
in Brüssel statt um
. . 4—5 h
4 h
3 h
3—4 h
4 h
4—5 h
* Halle = »
4 h
3 b
2—3 h
3 h
3—4 h
4 h
» Mühlhausen = =
4' 1
3—4 h
3 h
3 h
4 h
3 h (!)
s Göttingen = »
. . . 4—5 h
4 h
3 h
3—4' 1
4 h
4—5 h
= Münster = =
5 h
4 h
4 h
4»
5 h
5 h
Die letzten Zahlen zeigen grosse Uebereinstimmung und speziell für Halle fallen sie nahe mit dem Mini
mum der Feuchtigkeit am Morgen zusammen. Die Erklärung dieser doppelten Periode der Feuchtigkeit bietet
nach dem Vorausgegangenen keine Schwierigkeit. Nach Eintritt des Minimums der Dampfspannung nimmt
die Luft bei steigender Temperatur wieder die ausgeschiedene Feuchtigkeit auf und erhält weiter Zufuhr
von der am Morgen erwachenden Vegetation. Allmählich versiegt die erstere Quelle und da die Fortfuhr
nach der Höhe durch Diffusion und den aufsteigenden Luftstrom immer kräftiger wird, so tritt gegen 9 h im
Sommer schon eine Abnahme ein, bis die höchste Temperatur am Nachmittag überschritten ist und die
Stärke der Feuchtigkeitsabfuhr wieder gemindert wird; die noch durch das Sonnenlicht gesteigerte Ver-
dunstungsthätigkeit der Pflanzen bewirkt alsdann wieder eine geringere Zunahme, welche am Abend mit
dem Versiegen dieser Quelle wieder aufhört; doch muss die Abnahme der Feuchtigkeit in der Nacht, welche
der Erreichung des Thaupunkts vorangeht, wohl darauf zurückgeführt -werden, dass die unteren Schichten
zuerst erkalten und somit das Gesetz der Temperatur-Vertheilung in der Atmosphäre geändert wird; hier
durch würden die unteren Schichten gegen die oberen relativ feucht und der Ausgleich muss daher durch
Abnahme der Feuchtigkeit in den untereu kälteren Schichten herbeigeführt werden; — wir werden später
sehen, dass die Vertheilung des Wasserdampfes in der Luftsäule im Wesentlichen an die Temperatur ge
bunden ist.*) Ist der Thaupunkt erreicht (erster Thaupunkt), so muss die durch das Psychrometer ge
messene Feuchtigkeit weiter abnehmen bis die niedrigste Temperatur eingetreten ist.
*) In gleicher Weise erklärt sich auch die Thatsache, dass mit der Erniedrigung der Tagestemperatur von einem
Tage zum andern fast immer eine Verminderung der Luftfeuchtigkeit erfolgt, auch wenn die relative Feuchtigkeit von 100 %
weit entfernt ist. — Kämtz führt diese nächtliche Abnahme auf Thaubildung zurück. Ebenso glaubt Rubenson (Oesterr.
Met. Zeitschr. 1876, S. 65 seq.) diese Abnahme des Dunstdrucks am Abend mittelbar auf den zuerst an der Bodenoberfläche
durch Thaubildung eintretenden Entzug von Feuchtigkeit, welcher gewissermaassen einen Ersatz von höheren Schichten er
fordere, zurückführen zu müssen. — Einen Abfluss sowohl nach unten als nach oben hin anzunehmen würde gleich be
rechtigt erscheinen.
Archiv 1885. 8.
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