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sich dabei vor Nachbildern in der Netzhaut des Auges hüten, die leicht auftreten, wenn man lange Zeit
das helle Segment angestarrt hat. Jedesmal, wo die Dämmerung ungewöhnlich lange andauerte, war der
Himmel ganz wolkenlos. Aber selbst in den Fällen, wo Wolken und Dünste nicht stören, ist der zeitliche
Ablauf der Dämmerung ein sehr verschiedener. Einen Einfluss der Luftfeuchtigkeit nachzuweisen, war ich
nicht im Stande, doch ist dies keineswegs wunderbar, denn es spielt nicht die Feuchtigkeit nahe der
Wasseroberfläche, die allein messbar ist, eine Rolle, sondern diejenige der hohen und höchsten Luftschichten,
in denen die Strahlen der untergegangenen Sonne sich brechen.
Aus den mitgetheilten Zahlen ist ferner ersichtlich, dass die von Reisenden so oft wiederholten Angaben
über ungewöhnliche Kürze der Dämmerung unter den Tropen zum Mindesten ein wenig übertrieben sind.
Bei reichlicher Bewölkung kann allerdings 50 Minuten nach Sonnenuntergang das letzte Tageslicht erloschen
sein, während es sich bei klarem Himmel beinahe doppelt so lange hält. Mit der bürgerlichen Dämmerung,
wo nur die Zeit gerechnet wird, in der man noch im Freien Arbeiten verrichten kann, ist es bald vor
über, doch ist dieselbe ein ganz unwissenschaftlicher und unbestimmter Begriff.
Ganz ungewöhnlich günstig erwies sich der Indische Ozean für die Beobachtung des Zodiakal-
Iiichtes. Jeden Morgen bot sich, wenn bei wolkenlosem Himmel weder Mond noch hellleuchtende
Planeten störten, ein ungemein prächtiger Anblick dar. Im Osten stand fast senkrecht die schlanke Pyra
mide, deren bläulichweisser Schimmer die Milchstrasse weit überstrahlte. Die Schiffsoffiziere, welche die
Erscheinung nicht kannten, sagten, es sei das erste Morgenlicht. 2'/2 Stunde vor Sonnenaufgang war wenig
wahrzunehmen, dann aber stieg das Licht schnell höher, und erreichte seinen Glanzpunkt beim Erscheinen
der ersten Dämmerung, wo die Basis der Pyramide eine Breite von 30° bis 35° hatte, und die Spitze 60°
über dem Horizonte stand. Das bläulichweisse Licht war ein sehr gleichmässiges, und übertraf an Hellig
keit die hellsten Partieen der Milchstrasse. Pulsationen und Zuckungen konnte ich nicht wahrnehmen.
Bei ruhigem Meere erzeugte es einen deutlichen Reflex auf der Wasserfläche.
Das erste Dämmerungslicht that dem Phänomen erstaunlich wenig Abbruch. Wiederholt konnte ich
beide Erscheinungen volle 15 Minuten neben einander beobachten. Der bläulichweisse Lichtkegel sass auf dem
purpurrothen Dämmerungs-Segmente; ja er liess sich sogar eine ganze Strecke in Letzteres hinein verfolgen.
Nach dem von Liais angegebenen Verfahren untersuchte ich, ob das Licht polarisirt sei. Man fixirt
zu diesem Zwecke mit einem Nicol’schen Prisma einen eben noch sichtbaren, in der Lichtzone befindlichen
Stern. Ist das Zodiakallicht polarisirt, so muss bei Drehung des Prismas sich der Stern in wechselnder
Helligkeit vom Hintergründe abheben. Ich konnte Polarisation nicht entdecken.
Seltsamer Weise war im April und Mai 1884 auf dem Indischen Ozean abends, nach der Dämmerung,
keine Spur von Thierkreislicht zu sehen. Das Auge hatte sich derart an die Erscheinung gewöhnt, dass
es in der Frühe den mattesten Schimmer sofort erkannte. Abends wollte dies durchaus nicht gelingen.
Es ist mehrfach behauptet, dass entweder am Abend- oder am Morgenhimmel das Zodiakallicht für längere
Zeiträume unsichtbar bleibe; doch hat man häufig genug die Zuverlässigkeit dieser Angabe angezweifelt.
Erst mehrere Monate später gelang es mir, in der Südsee, auf den Hawaii-Inseln, auch abends die
Pyramide zu finden, wo sie freilich weit weniger glanzvoll war, als in den Morgenstunden auf dem Indischen
Weltmeere.
Nie vermochte ich eine Spur von Gegenschein oder von der Lichtbrücke zu entdecken, auch da nicht,
wo die Pyramide im vollsten Glanze strahlte; und während Jones mehr als ein Dutzend Fälle anführt,
wo der Mond ein Zodiakallicht hervorgebracht haben soll, sah ich selbst unter den denkbar günstigsten
Umständen, weder vor Aufgang noch nach Untergang dieses Gestirnes etwas dem Zodiakallichte Aehnliches.
Da wegen ausserordentlicher Sternenarmuth des Himmels in jener Gegend, wo im April auf dem
Indischen Ozean morgens das Zodiakallicht stand, ein Einzeichnen in eine Sternkarte mir nicht möglich
war, liess ich, als ganz ruhige See genaue Messung ermöglichte, durch den ersten Steuermann die Lage
des Lichtes bestimmen.
Das Ergebniss war Folgendes:
28. April 1884. Indischer Ozean.
22° 13' südl. Br.
95° 58' östl. v. Greenw.
5 Uhr 0 Min. vorm. (Ortszeit).