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Wir haben vorhin schon angedeutet, dass noch zu untersuchen bleibt, ob es denn auch ein Vortheil
für den Kompass ist, wenn er auf gewissen Kursen keine Deviation hat, d. h. ob derselbe auch umsobesser
funktionirt, wenn das Schiff auf dem Baukurse und dem diesen entgegengesetzten Kurse anliegt. Wie wir
sehen werden, ist das keinesweges der Fall.
Zehntes Experiment. Man lege das Modell auf den früher angenommenen Baukurs an und bringe den Magnet auf
der Holzschiene nahe an den Kompass. Wir sehen, eine Deviation ist — trotzdem die störende Kraft des Magnets nun
wegen seiner Nähe eine sehr starke ist — immer noch nicht da. Aber das Nordende der Kompassnadel wird durch den
nördlichen magnetischen Pol der Erde nach Nord gezogen, d. h. nach einer Richtung, in welcher genau sich auch der
Toi des festen Magnetismus im Schiffe befindet. Dieser Pol ist aber ein Nordpol, und stösst daher den Nordpol der
Kompassnadel von sich ab; oder mit anderen Worten ein Theil derjenigen Kraft der Erde, welche den Kompass nach
N richtet, wird auf diesem Kurse durch die Wirkung des Pols im Schiffe aufgehoben. — Der Kompass hat wenig, oder
unter Umständen gar keine Richtkraft. Was die Folge davon ist, sehen wir, wenn wir das Schiff nur um einen sehr ge
ringen Betrag vom Baukurse ab weichen lassen. (Auszuführen!) Wie wir sehen, beginnt der Kompass zu laufen und es
dauert ungemein lange, ehe er auf einem bestimmten Kurse liegen bleibt. Merken wir uns diesen Kurs und wiederholen
unser Experiment, so werden wir finden, dass jetzt der Kompass 1 oder 2 Striche, ja häufig noch mehr sich schliesslich anders
anlegt. Es ist das ganz natürlich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kompass die ihn richtende Kraft
fehlt, oder ihm nur in unzureichendem Maasse zu Gebote steht, so dass geringe Reibungswiderstände nicht mehr über
wunden werden können.
Wie steht es nun auf dem, dem Baukurse entgegengesetzten Kurse? Hier ist es der südliche Pol der Erde, welcher
das Südende der Kompassnadel anzieht und zwar genau nach derselben Richtung, nach welcher in demselben Sinne auch
der Südpol des Schiffes wirkt. Beide Kräfte verstärken sich, und dem Kompass steht demnach eine erheblich erhöhete
Richtkraft zu Gebote. Ist denn das nun aber nicht ein Yortheil? Nein! denn jetzt kann unter Umständen die magne
tische Kraft im Schiffe gegenüber der Erdkraft so gross werden, dass letztere mehr oder minder verschwindet; alsdann
aber zeigt der Südpol der Kompassrose stets nach einem bestimmten Punkte im Schiffe nach dem Nordpol des Schiffes
hin. Lassen wir das Schiff 1, 2 oder mehrere Striche von seinem Kurse (dem Baukurse entgegengesetzt) sich entfernen,
so wird der Kompass noch sehr nahe denselben Kurs anliegen. (Auszuführen!) Es ist also nicht mehr genau nach ihm
zu steuern, das Schiff kann stark gieren, die Leute am Ruder aber können es am Kompass nicht merken, während das
Entgegengesetzte der Fall ist auf dem Baukurse, wo der Kompass, wie wir gesehen haben, bei einem geringen, nicht zu
vermeidenden Gieren des Schiffes schon anfängt hin und her zu laufen, so dass die Leute am Ruder in solchen Eällen
in Folge dieses Umstandes fortwährend mit dem Ruder drehen und die Fahrt des Schiffes hemmen würden. — Namentlich
diese Uebelstände, und nicht etwa die Grösse der Deviation, welche ja ebensogut in Rechnung zu nehmen wäre, wie eine
kleine Deviation, lassen es wünschenswerth erscheinen, die störende Wirkung der Pole des festen Magnetismus im Schiffe
aufzuheben.
Kompensation. Die bislang betrachtete Deviation rührt von einem festen Magnetismus her, der
im Schiffe liegt und seine Intensität, abgesehen von einer Abnahme, die nur in der ersten Zeit nach dem
Neubau beträchtlich ist und später für die Praxis ganz unmerklich wird, fortwährend beibehält. Dieser
festen, im Schiffe liegenden, den Kompass ablenkenden Kraft, muss man eine andere, ebenso beständige,
feste Kraft entgegensetzen können, welche den Kompass in demselben Maasse, d. h. um denselben Betrag,
aber im entgegengesetzten Sinne ablenkt. Es geschieht das am einfachsten durch einen künstlichen Magnet,
da sich Zuggewichte, welche den Kompass mit derselben Stärke nach einem 180° in Richtung verschieden
von demjenigen Punkte liegenden Punkte hinziehen, nach welchem er durch den Pol im Schiffe angezogen
wird, nicht wohl anbringen lassen. — Hier sind wieder die rothe und schwarze Platte zu benutzen, um die
Lage des Pols und die Richtung des Orts eines etwaigen derartigen Zuggewichts anzudeuten. Es ist praktisch,
von einem solchen Zuggewicht zu sprechen, um klarzustellen, dass man es hier mit einer festen Naturkraft
zu thun hat, die ebensowohl durch die Schwerkraft, wie durch Magnetismus aufzuheben ist. Es dient das
dazu, manchen vielverbreiteten, falschen Vorstellungen von einem geheimnissvollen Wesen des Magnetismus
entgegen zu wirken und widersinnigen Experimenten, wie Aufhebung der Wirkung des Magnetismus auf den
Kompass durch einen Topf mit Erde, durch Schieferplatten mit Asphalt u. s. w. vorzubeugen.
Elftes Experiment. Man bringe den kleinen durchbohrten Magnet n m an der dazu dienenden Stange l unter der
Mitte des Kompasses an, gebe ihm die entgegengesetzte Lage zur Lage der Pole im Schiffe und nähere ihn so lange
dem Kompass bis die Deviation auf einem nahe 8 Strich vom Baukurse verschiedenen Kurse aufgehoben ist und zeige
nun, dass hierdurch die Deviation auf allen Kursen rund um den Kompass verschwunden ist.
Zugleich mit der Deviation bringt man aber auch die schon vorhin erläuterte schädliche Schwächung oder Verstärkung
der Richtkraft des Kompasses zum Verschwinden, wie leicht einzusehen und durch Experiment darzuthun ist. Hierzu
hat man das Modell auf die bezüglichen Kurse anzulegen, den Magnet auf der Holzschiene, aber auch den Kompensations-
magnet auf der Stange zu nähern und zu zeigen, dass nun der Kompass noch vollkommen gut funktionirt.
Die Lage des Kompensations-Magnets, d. h. seine Lage gegen die Längsschiffs-Richtung ist offenbar durch den Bau
kurs des Schiffes bedingt. Vorhin haben wir schon gesehen, dass die Inreehnungnahme des Baukurses eine Unbequemlick-
Archiv 1883. 2.
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