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Aus dieser Eigenschaft der Erde, Magnetismus in Eisen zu induziren, folgt eine Reihe von Erschei
nungen, welche zur Erklärung des Verhaltens der Kompasse an Bord eiserner Schiffe von Wichtigkeit sind.
So muss folgerichtig ein Cylinder aus Eisen, wenn er zwischen den Kompass und einen erdmagnetischen Pol
gebracht wird, die Wirkung des letzteren schwächen, d. h. es wirkt der Cylinder für den Kompass als Schirm
gegen den Magnetismus der Erde. Betrachten wir nun, wie sich dieses verhält. In jenem Theile des Cylinders,
welcher nach Norden gekehrt ist, wird Nordmagnetismus induzirt, welcher dem Magnetismus der Erde (der ja
in Wirklichkeit Südpolarität besitzt) widerstreitet, d. h. die Wirkung des magnetischen Nordpols der Erde ab
schwächt, und in diesem Sinne wirkt der Cylinder, da in dem Theile, der nach Süden gekehrt ist, dieselben
Beziehungen herrschen, die Nadel beschirmend gegen die Einflüsse der erdmagnetischen Kraft.
Viertes Experiment. Man lege um einen an Deck montirten Kompass einen weichen Eisencylinder (wie in einem
Gefechtsthurme dies der Fall ist), so verliert der Kompass seine Richtkraft, wie dies leicht durch Beobachtungen von
Schwingungen der Nadel oder Ablenkungen nachzuweisen ist. Bei diesen Versuchen ist es von Wichtigkeit, darauf zu
achten, dass der Eisencylinder keinen remanenten, ihm eigenthümlichen Magnetismus enthält, da sonst, wie begreiflich,
die Versuche in ungünstiger Weise beeinflusst werden müssen.
Befindet sich ein Kompass über einer Scheibe weichen Eisens montirt, so ist die Wirkung der so eben
beschriebenen ganz ähnlich; es wird in dem nach Norden gekehrten Theil der Scheibe weichen Eisens
Nord-Magnetismus induzirt, welcher gleichfalls der Wirkung des Erdmagnetismus widerstreitet, d. h. es wird
die Wirkung der erdmagnetischen Kraft abgeschwächt, es findet eine Beschirmung gegen dieselbe statt und
der Kompass geht eines Theiles seiner Richtkraft verlustig.
Fünftes Experiment. Bei einem über einer Eisenplatte montirten Kompass beobachte man die Oszillations-Dauer
oder die Grösse der Ablenkungen, in welchen beiden Fällen man die Abnahme der Wirkung der erdmagnetischen Kraft
auf den Kompass ziffernmässig konstatiren kann.
Stellt man eine dicke Platte weichen Eisens zwischen den Kompass und die magnetische Erdkraft,
so wird in dem Eisen derjenige Theil, der von der Nadel ab und dem Pole zu liegt, nordmagnetisch, wenn
wir das Experiment am Nordende der Nadel machen, und der der Nadel zugewendete südmagnetisch, so
dass dadurch die auf den Kompass richtend wirkende Kraft der Erde verstärkt wird; es findet keine Ab
schwächung, keine Beschirmung in diesem Falle statt, sondern eine verstärkte Wirkung.
Sechstes Experiment. Man bringe eine massig dicke Scheibe weichen Eisens einmal zwischen den Nordpunkt der
Nadel und den erdmagnetischen Nordpol, sodann mache man das gleiche Experiment mit Beziehung auf den Südpol
der Nadel und den erdmagnetischen Südpol, so wird man in jedem einzelnen Falle durch Schwingungs- oder Ablenkungs-
Beobachtungen die erhöhte Richtkraft des Kompasses zu konstatiren vermögen. Es versteht sich von selbst, dass man
bei allen diesen Versuchen die grösste Sorgfalt darauf zu verwenden hat, dass dem dabei in Verwendung kommenden
Eisen kein eigner Magnetismus innewohnt und dassselbe rasch und möglichst vollständig den induzirenden Einflüssen der
erdmagnetischen Kraft folgt.
Die im Vorstehenden gegebenen und gauz allgemein gehaltenen Regeln für die Wirkung von Eisen
massen auf einen Kompass finden ihre vorzüglichste Anwendung in der Lehre von den Deviationen, welchen
Kompasse an Bord eiserner Schiffe unterworfen sind. Die Grundbedingung für ein regelmässiges und gesetz-
massiges Verhalten der Deviation eines Kompasses ist die, dass alle Eisenmassen von demselben so entfernt
.gehalten werden, dass man die im ersten Experimente beobachteten Erscheinungen, d. li. den durch die
Magnetnadel des Kompasses selbst in Eisen induzirten Magnetismus ausser Acht lassen kann: Es ist die
Nadel in Beziehung auf die Eisenmassen und deren Entfernung von ihr als unendlich klein anzusehen.
Eine richtige, hierauf Rücksicht nehmende Aufstellung des Kompasses ist also die vorzüglichste Bedingung;
ist diese nicht erfüllt, so kann von einer korrekten Navigirung des Schiffes nur schwerlich die Rede sein. *)
Die Erde ist, wie wir gesehen haben, ein grosser Magnet und zeigt ihr nördlicher Pol südliche und ihr
südlicher Pol nördliche Polarität. Wie bei jedem Magnet zeigt sich auch bei der Erde die magnetische Eigen
schaft derselben in der Nähe der Pole am stärksten, mitten zwischen beiden Polen, am magnetischen Aequator,
am schwächsten. Der Magnetismus ist aber nicht gleichmässig über den ganzen Erdkörper vertheilt in der
Weise etwa, dass die Intensität desselben von den Polen nach dem Aequator gleichmässig abnehme; die
Beobachtungen zeigen vielmehr eine erhebliche Abweichung von der gleichmässigen Abnahme der Intensität
nach dem Aequator zu. Im Allgemeinen wird uns diese Vertheilung durch eine Karte veranschaulicht, aut
welcher diejenigen Orte, an welchen der Erdmagnetismus dieselbe Intensität zeigt, durch Linien (Isody-
namen) verbunden sind. Es ordnen sich diese Linien um Zentren der magnetischen Thätigkeit auf der
*) Vergl. Instruktion der Seewarte über die Behandlung der Deviation der Kompasse an Bord eiserner Schiffe, Seite 2.