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den warmen Strom nach Osten herum. Dabei splittert aber von dem Hauptkörper der kalten Strömung
ein Theil im Westen ab, der als Falklandstrom nach Norden vordringt.
Bei diesem Umbiegen des warmen Stroms wäre es nicht ausgeschlossen auch an eine Verschiebung
der Gewässer in der Vertikalen zu denken: etwa in der Weise erfolgend, wie in den Serpentinen der Flüsse
die Oberfläche sich auf der äusseren Seite der Kurve hebt. Sollte nicht die oben von der Challenger-
Expedition gemeldete, in so auffallend grosse Tiefen vorgeschrittene Erwärmung der Brasilienströmung zum
Theil in dieser Weise zu Stande gekommen sein? — Andererseits wäre aber auch die Idee nicht ohne
Weiteres von der Hand zu weisen, dass die „strammen Westwinde“ durch ihre Oberflächenimpulse jene
südlich fortschreitenden Wassermassen um ihre horizontale Längsaxe zu drehen oder zu rollen sich bestreben,
so dass an der Westseite kälteres Wasser aus der Tiefe emporquellen könne. Es darf vielleicht jene oben
bereits von einem so zuverlässigen Beobachter wie Kapt. Ringe gemeldete, abnorm niedrige Temperatur
von 4.8° in 37.5° S-Br. (oben S. 11) mit solchen Vorgängen in Beziehung gebracht werden. Indess sollen
diese Gesichtspunkte hier nur angedeutet werden; da analoge Vorgänge auch in anderen Meeresstrichen
nicht fehlen können, würde eine vergleichende Untersuchung derselben an dieser Stelle zu weit führen.
Was endlich die Frage anbelangt, ob der Brasilienstrom bei seinem Zusammenstoss nördlich von den
Falkland-Inseln zum Theil in die Tiefe hinabtaucht und unter der kalten Kap-Horn-Strömung nach Süden
seinen Weg fortsetzt, so kann dieselbe gegenwärtig noch nicht als gelöst gelten. Eine kürzlich gerade aus
dem kritischen Gebiet, nämlich nordwestlich von Süd-Georgien, gemeldete Reihe von Temperatur-Lothungen 1 )
gestattet leider in dieser Hinsicht keinerlei bindende Schlüsse, da die einzelnen Temperaturserien unter
einander so wenig Uebereinstimmung zeigen, dass sich ebenso wohl die Existenz wie die Abwesenheit eines
wärmeren Unterstroms daraus beweisen Hesse. — In Bezug auf die Zeugnisse für eine wärmere Ober
flächen-Strömung südlich und südöstlich von den Shetland-Inseln kann nur auf die oben bereits genannten
Abhandlungen von Dr. G. Neumayer und Dr. A. Müliry nochmals hingewiesen werden, da seitdem neues
Material in dieser Richtung nicht beigebracht ist. —
Ein nach der eben gegebenen Darlegung der merkwürdigen Strömungsvorgänge in der Falkland-See
korrigirtes Bild des ganzen südatlantischen Stromsystems ist auf der zweiten Karte beigefügt. Dieselbe
enthält, ausserdem noch eine Veränderung, die wohl auf englischen, aber noch nicht auf deutschen Karten
zum Ausdruck gekommen ist, auf die daher besonders bingewiesen sein mag; es betrifft das Vordringen
des Agulliasstroms in den südatlantischen Ozean. Die Karten von Berghaus und Peter mann lassen
denselben schon in 15° bis 18° O-Lg. umkehren; die Beobachtungen deutscher Schiffe ergeben indess, über
einstimmend mit den englischen Stromkarten, dass das warme Wasser des Agulhasstroms bisweilen schon
in zirka 5° bis 8° und gewöhnlich in 10° bis 12° O-Lg. in 40° S-Br. angetroffen wird. Einige Zeit (meist
nur zwei bis drei Tage hindurch) bevor die Ostindienfahrer auf der Ausreise diese plötzliche Temperatur
erhöhung wahrnahmen, sind sie durch kälteres Wasser gekommen, als sie bisher auf ihrer ganzen Fahrt
zwischen 38° und 42° S-Br. fanden, und zwar ergiebt sich der Meridian von Greenwich als die mittlere
Lage derjenigen Stelle, an welcher das Wasser anfängt sich kälter zu zeigen. Wir sehen also, wie das nach
kurzem Zusammenstoss bei den Falkland-Inseln nach Ostnordost nebeneinander fortschreitende Strompaar
der Brasilien- und Kap-Horn-Strömung seinem thermischen Wesen nach sich auch noch weithin verschieden
zeigt: in etwa 40° S-Br. und 0° Greenwich finden wir dieselbe Grenze noch ausgeprägt, die uns als Süd
grenze des Brasilienstroms in 48°—50° S-Br. zwischen 55° und 45° W-Lg. entgegentrat. Erst weit nach
Nordosten hin, da wo der Südostpassat die kalten Gewässer der „westafrikanischen“ oder „Benguela-
Strömung“ nach Nordwesten über die wärmeren Gewässer der alten „Brasilien-,“ späteren „Verbindungs-
Strömung“ hinüberweht, fehlt eine erkennbare Grenze zwischen beiden Wassermassen. Es ist nur sicher,
dass die Temperaturen von der Küste aus nach Westen hin langsam zuzunehmen pflegen.
Das neue Bild der Meeresströmungen erinnert nun in mancher Hinsicht an nordatlantische Vorgänge.
Der Brasilienstrom ist, wie schon Mlihry wollte, dem Golfstrom (d. h. im weitern Sinne, wie ihn die
Challenger-Expedition gegeben hat: Antillenstrom und Floridastrom zusammengefasst!) zu vergleichen, die
Kap-Horn-Strömung aber als ein Pendant des Labradorstroms hinzustellen. Indess nimmt sich der letztere
doch ein wenig zwergmässig neben seinem ungleich stärkeren südatlantischen Ebenbilde aus. Dort unter
liegt ja auch der kalte Strom der übermächtigen mechanischen Gewalt des Golfstroms. Einen gemeinsamen
') Annalen der Hydrographie 1882, Seite 741.