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Ebenso ist den Kap-Horn-Fahrern bekannt, dass sie auf der Heimreise in der Nähe des 50. Breitengrades
bei ihrem nördlichen oder nordöstlichen Kurse innerhalb weniger Stunden aus dem kalten Wasser des Kap
Horn-Stroms in erheblich, oft bis über 8°, bisweilen 5° wärmeres Wasser hineinkommen.
Beide Thatsachen sind bereits in einer englischen Publikation über die Oberflächen-Temperaturen des
Südatlantischen Ozeans *) hervorgehoben und den ähnlichen Erscheinungen im Bereiche des Agulhasstromes
verglichen worden. Es heisst dort in der Einleitung des Werkes: „Eine andere Gegend, in welcher plötz
liche Schwankungen der Meeres-Temperaturen beobachtet sind, ist die Küste Südamerikas von 20° S-Br. an
südwärts, und es giebt dort einige wohl begrenzte Stellen, über welche sich in unseren Auszügen aus den
Wetterbüchern Bemerkungen niedergelegt finden.“
„Zunächst geht aus diesen hervor, dass auf der Höhe von Rio de Janeiro sich über den Gründen, ent
lang der Küste, kälteres Wasser befindet, als ausserhalb derselben. Dies würde anscheinend darauf hin-
weisen, dass der entlang der brasilischen Küste südwärts fliessende Ast der Aequatorial-Strömung gewöhnlich
nicht seinen Weg über die Küstenbank nimmt, auf welcher vielmehr ein schmaler Strom kalten Wassers
nordwärts fliessend angetroffen wird“
„Gehen wir südwärts von 80° S-Br., so sind die daselbst beobachteten Temperatursprünge, wenn auch
nicht so überraschend wie südlich vom Kaplande, doch immerhin sehr bemerkenswerth. Der Raum, in
welchem derartige Wahrnehmungen gemacht worden sind, liegt ganz westlich von 50°W-Lg. Zwischen 85°
und 40° S-Br. sind Temperatursprünge von 11° C. innerhalb 12 bis 14 Stunden wiederholt konstatirt worden,
zugleich mit grossen Veränderungen in der Farbe des Wassers. Ueber die Beziehungen zwischen Strom
und Wassertiefe konstatirt Kapt. James Gales, dass „das warme Wasser über der Küstenbank, das kalte
entlang dem Rande derselben liegt.“ Es ist also hier das umgekehrte Verhältniss wie auf der Höhe von
Rio' de Janeiro. Immerhin bildet dieses kalte Wasser nur einen schmälen Streifen, denn östlich davon ist
das Wasser wieder entschieden wärmer.
„Kommen wir über 40° S-Br. hinaus, so zeigen die Karten, dass in 40° und 45° Br. die Mitteltemperatur
höher ist zwischen 50°—55° W, wie in allen westlich oder östlich benachbarten Fünfgradfeldern. Die mittlere
jährliche Differenz ist 1° C. nach Osten und 3° C. nach Westen hin. Einer der Beobachter, Kapt. J. Brack,
überschritt auf westlichem Kurse quer dieses warme Wasser: in 41°—44° S-Br. findet er die Temperatur
um 7.2° C. in 14 Stunden steigend, darauf aber ein Abfallen derselben um 7.8° C. in 10 Stunden. Derselbe
Beobachter war vorher in 40° S-Br. und 53°W-Lg. durch einen kalten Strom gekommen.
„Ein anderes Gebiet, auf welches unsere Journalauszüge häufig Bezug nehmen, ist begrenzt von 45°
und 50° S-Br., 47° und 53°W-Lg. Hier sind die Temperatur-Unterschiede nicht sehr gross; doch treten
daselbst zwei Strömungen hervor, nämlich eine warme und eine kalte, beide aber dicht neben einander
gelagert. Die Kante eines warmen Stroms ist häufig unter 51° W-Lg. zwischen den genannten Breiten (45° bis
50° S-Br.) beobachtet worden, während anscheinend der kalte Strom sich, wenigstens unter 49° S-Br., von hier
an ostwärts bis 46° W erstreckt, wie denn viele Beobachter ein plötzliches Fallen der Temperatur in
47° W-Lg. melden.
„Bei Kap Horn ist ferner dicht unter der Küste ein warmer Strom häufig bemerkt worden. Kapitän
J. Gales beobachtete (im März), dass die Temperatur schnell um 1.4° C. stieg, während er Nordkurs hielt:
„bei dunklem oder dickem Wetter dürfte dieses Ansteigen der Temperatur ein Wink dafür sein, nunmehr
zu wenden.“ Die Beobachtung selbst ist 40 Meilen südlich von Kap Horn gemacht worden.
„Im Ganzen scheint, soweit die geringe Zahl der erreichbaren Quellen ein Urtheil zulässt, die Küste
Südamerikas Erscheinungen in den Oberflächen-Temperaturen zu bieten, welche vielleicht denen des Agulhas-
stroms nicht nachstehen.“
Entsprechend diesen Bemerkungen sind denn auch auf mehreren Karten der Britischen Admiralität
die oben angegebenen Meeresstriche durch die eingeschriebene Note charakterisirt, dass „daselbst beträchtliche
Veränderungen in den Oberflächen-Temperaturen häufig wahrgenommen wurden“, so z. B. in den Pilot Cliarts
for Atlantic Ocean und der bekannten Ice Chart of the Southern Hemisphere. — Ein Versuch zur Deutung
jener auffallenden Phänomene ist indess in der genannten Publikation nicht gemacht.
Vergleichen wir nun hiermit die bekannten Darstellungen der Meeresströmungen auf den Weltkarten
von Petermann und Berghaus, so können wir nicht umhin, sie mit jenen Thatsachen nicht ganz vereinbar
l ) Charts of Surface Temperature of the South Atlantic Ocean in each Month of the year, issued under the committee of the Meleo-
rological Office. London 1869. (Folio).