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über der kalten antarktischen Ivomponende fast verschwindet; ferner aber auch das Fehlen einer westlichen
Fortsetzung der Patagonischen Strömung um das Kap Horn hemm. —
Auf den zuletzt berührten Punkt ist alsdann Dr. A. Müliry 1 ) mit dem ihn auszeichnenden Aufwand
von Literaturkenntniss zurückgekommen in einer grösseren Abhandlung über „das System der Meeres
strömungen an der Südspitze von Amerika“. Er erklärt sich ausdrücklich gegen das plötzliche Aufhören
des Brasilienstroms zwischen Staten Eiland und der Falklandgruppe: „man weiss nicht, warum und wie“.
Seinerseits lässt er hier den Patagonischen Strom sich spalten. Der eine Ast und zwar der schwächere
setzt an der Oberfläche westlich um das Kap Horn herum, dicht au der Küste sich haltend, in die Südsee
hinein, also ganz nach ßennell’s Ausspruch; diese warme Abzweigung ist die Ursache für das anomal milde
Winterklima des Feuerlandes, dessen undurchdringlich dichter Buschwald schon einem Darwin als ein
bedeutsamer und Nachdenken erzeugender Kontrast gegenüber den um drei Breitengrade dem Aequator
näheren, aber völlig baumlosen Falkland-Inseln erschienen ist. — Der zweite und zwar der Hauptarm des
Patagonischen Stroms aber wird nach Müliry submarin. Er setzt, von dem kalten Kap-Horn-Strom, der
den breiteren Theil der Meeresstrasse zwischen dem Feuerland und den Shetland-Inseln beherrscht, nur ganz
oberflächlich überdeckt, südwestwärts seinen Weg fort, und in 80° bis 110° W-Lg. kommt er soweit wieder
in die Erscheinung, dass er daselbst Polarfahrern wie Cook, Bellingshausen und Wilkes Gelegenheit gab bis
69° und 71° S-Br. vorzudringen. Den Kap - Horn - Strom erklärt Müliry für eine Windtrift von geringer
Mächtigkeit und nur lokaler Bedeutung.
Auch Dr. G. Neumayer hat in der bekannten Südpolarkarte, welche er seiner werthvollen auf durch
weg sehr eingehendem Detailstudium der Originalquellen beruhenden Abhandlung 2 ) über „die Erforschung des
Südpolargebiets“ beigefügt, Bedenken getragen, den Patagonischen Strom bei den Falkland-Inseln blind endigen
zu lassen. Auch er ist überzeugt, dass dieser warme Strom seinen Weg submarin fortsetzt und zwar indem
er sich an der Nordspitze von Graham-Land theilt, wobei er nicht nur nach Südwesten, wie gleichzeitig
Mühry vorschlug, sondern auch nach Südosten hin eine Fortsetzung findet bis in jenes „Meer Georgs IV“,
in welchem einst Weddell Ende Februar 1823 in 33° 20' W-Lg. bis 74° 15' S-Br. vorzudringen vermochte.
Diesen gleichzeitigen Rathschlägen folgend hat dann Hermann Bergbaus (der jüngere) auf seinen
physikalischen Karten der Erde nicht nur jene westliche Verlängerung des Patagonischen Stroms, um das
Feuerland westlich herum, wie Mühry sie wollte, acceptirt (Physikalische Wandkarte der Erde, Gotha 1874),
sondern er hat auch die submarinen Abzweigungen desselben nach Neumayer’s Vorschlägen eingetragen
(in Stieler’s Handatlas, der Cliart of the World.)
In England hat man sich der von Petermann vertretenen Restituirung Rennell’s nicht angeschlossen;
vielmehr erinnern die von dortigen Autoritäten, sowohl privatim, wie offiziell publizirten Karten auffallend
an des älteren Berghaus Auffassung; sie kennen also wohl eine südliche Verhindungsströmung, verstärkt
durch einen mächtigen Zufluss vom Laplata her, 3 ) aber keine Patagonische Verlängerung des Brasiliani
schen Stroms. Auch die Verbindungsströmung bezieht keine hülfreiche Verstärkung aus der Südsee durch
den Kap-Horn-Strom; vielmehr ist der letztere nur im südwestlichsten Theile des südatlantischen Ozeans
zu spüren, etwa südwestlich einer von Süd-Georgien nach der Valdez-Halbinsel der Patagonischen Küste
(43° S-Br.) gezogenen Linie. In diesem Raume aber herrscht sie durchaus: sogar westlich und nördlich
von den Falkland-Inseln dringt sie als eine starke, 12 bis 30 Seemeilen im Etmal versetzende Nordströmung
vor: -— also ein völlig verändertes, nahezu umgekehrte Verhältnisse bietendes Bild! So in den Pilot Charts
for Atlantic Ocean; Wind and Current Charts for Pacific, Atlantic and Indian Oceans.
Zu diesem grossen Widerspruch kommen nun folgende bisher auf den Karten fast ganz allgemein
unbeachtet gebliebene Thatsachen.
Schiffsführern, welche, häufig die Route um Kap Horn befahren und gewohnt sind, auf die Wasser-
Temperaturen zu achten, ist es eine wohlbekannte Thatsache, dass sie auf der Ausreise südlich von 35° S-Br.
plötzlichen Veränderungen der Meereswärme (um 8° bis 10° C. in wenigen Stunden) begegnen, die meist
von Unterschieden in der Farbe des Wassers, sowie von anderen auffälligen Erscheinungen begleitet sind.
1) Petermann’s Geographische Mittheilungen 1872, S. 126, ff.
2 ) Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1872, Bd. VII, S. 132 und 151.
3 ) Man ist in England anscheinend sehr geneigt, solchen aus den grossen Flussmündungen heraustretenden Süsswasser
massen eine grosse Einwirkung auf die vorbeiziehenden Meeresströmungen zuzuschreiben; indess ist solches doch
wohl nur in aräometrischer und allenfalls thermischer Hinsicht zuzugeben, nicht aber in mechanischer. —