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und am 10. —13. Oktober 1878. In diesem Falle erfolgt zunächst Abkühlung im Nordwesten Europas,
welche dann südostwärts sich ausbreitet.
Nicht selten kommen auf der Südseite dieser Depressionen Theilbildungen vor, welche einen raschen
Wechsel der südwestlichen Winde in nordwestliche mit rascher Abkühlung veranlassen, welcher Wechsel
häufig von Gewitter-Erscheinungen begleitet ist, namentlich bei starker Luftbewegung.
So stehen die heftigen Gewitter, welche am 11. und 12. Oktober 1877 successive westostwärts fort
schreitend an den Südküsten der Nord- und Ostsee stattfanden, mit dem Umgehen der starken Südwestwinde
in nordwestliche und der dadurch bedingten Abkühlung im Zusammenhang. Auch die Gewitter am 15.
und 16. desselben Monats hatten denselben Ursprung. Vom 11. auf den 12. Oktober 1878 gab ein Theil-
minimum, welches sich unserer Küste entlang bewegte, unter denselben Verhältnissen wie vorhin, Ver
anlassung zur Gewitterbildung.
Aehnliche Erscheinungen fanden am 23. Januar 1878 statt, wo am Abend und in der Nacht im
nordwestlichen Deutschland Gewitter auftraten. Schon vor 2 Tagen, vom 21. auf den 22., waren zwar die
Winde von Südwest nach Nordwest umgegangen, jedoch ohne Gewitter-Erscheinungen, da die nordwestlichen
Winde vermöge ihres Ursprungs in diesem Falle nicht abkühlend, sondern vielmehr erwärmend wirkten.
b) Wärmere Jahreszeit. Entsprechend der mittleren Luftdruck-Vertheilung in dieser Jahreszeit
liegt das Maximum des Luftdrucks nicht mehr über Oesterreich-Ungarn, sondern mit verminderter Intensität
über der Westhälfte Mittel-Europas, in vielen Fällen über Deutschland und scheint meistens die Ver
längerung des grossen Maximums von den Azoren zu sein. Die oben erwähnte und auf unseren Karten
verzeichnete kontinentale Axe, welche den ozeanischen Einfluss nach Süden und Osten abgrenzt, liegt viel
nördlicher als in der kälteren Jahreszeit. Dem entsprechend ist das Wetter ruhig, heiter, trocken und
warm. Da in dieser Jahreszeit die Bedingungen zu Boden-Nebeln, abweichend vom Winter, nicht gegeben
sind, so wird der Einstrahlung kein Hemmniss entgegengesetzt, und die Temperaturen erreichen zuweilen
einen ausserordentlich hohen Werth. Regenfälle sind in den eigentlichen Sommer - Monaten zwar häufig,
sind aber meistens Begleiter von Gewittern, welche bei dieser Zugstrasse nicht selten sind.
Mit der Frequenz dieser Zugstrasse fallen die wärmsten Sommertage zusammen. So waren bei der
eben dargestellten Situation die Tage vom 7. bis 12. Juni 1877 durch ausserordentlich hohe Temperatur
charakterisirt. Am 12. 2 h p. m. zeigte das Thermometer in München und Wien 30°, in Kassel 31° und in
Leipzig und Berlin sogar 34°. Aber an diesem Tage verlegte sich das Maximum nach den britischen Inseln,
südliche Luftströmung gewann in Deutschland die Ueberhand und die jetzt erfolgende Abkühlung war durch
zahlreiche im Nordseegebiete beginnende, und sich nach Norden und Süden verbreitende Gewitter, vielfach
mit heftigen Regengüssen, gekennzeichnet.
Auch die Zeit vom 17. bis 19. Mai 1878, wo dieselbe Situation maassgebend war, zeichnete sich durch
ungewöhnlich hohe Wärme aus. Am 18. überstieg am Nachmittage die Temperatur im zentralen Deutsch
land 28°. Aber vom 18. auf den 19., als das Maximum nach Spanien zurückwich, drang die kältere
ozeanische Luft in lebhaftem Strome westwärts in den hoch temperirten Kontinent, und sein Eindringen
wurde vom Nachmittage bis Mitternacht durch schwere und ausgedehnte Gewitter, welche das nördliche
Deutschland in der Richtung von Westen nach Osten durchzogen (2 h p. m. Borkum, 6 h p.m. Hamburg, 10 h p.m.
Stettin, 2V 2 h a. m. Danzig), charakterisirt, während ein zweiter Gewitterzug am Abend den Mittelrhein und
um Mitternacht Kassel heimsuchte.
2. Zugstrasse II. Kältere Jahreszeit. Das barometrische Maximum liegt in der Regel über
Spanien oder Süd-Frankreich, oder über dem Alpengebiete, seltener über Deutschland und noch seltener
westlich von Frankreich. Diese Fälle verhalten sich der Zahl nach wie 9 : 4 : 3 : 2. Der Luftdruck über
Ost- und Südost-Europa tritt zurück. In mehr als der Hälfte der Fälle wandert das Maximum ost- oder
südostwärts, seltener verschiebt es sich nordwärts und zuweilen bleibt es stationär. Die mittlere kontinentale
Axe verläuft durch Spanien, Süd-Frankreich, das Alpengebiet, Oesterreich-Ungarn nach dem südwestlichen
Russland hin. Wie bei der Zugstrasse I ist die Lage des Maximums für die Temperatur-Verhältnisse und
die Witterung überhaupt in unseren Gegenden von entscheidender Bedeutung, jedoch wird warmes, mildes,
trübes und regnerisches Wetter das vorwiegende sein. Liegt das Maximum — und dieses trifft in mehr
als 2 / 3 aller Fälle ein — im Süden (Spanien, Süd-Frankreich oder Alpen), so ist das Wetter durchgehends
mild, trübe und regnerisch, liegt dasselbe dagegen über Zentral-Europa oder verschiebt es sich nach dem
Westen Frankreichs so ist die Witterung kalt, im ersteren Falle heiter und trocken, im letzteren trübe