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grossen barometrischen Maxima und Minima (der grossen Aktionszentra der Atmosphäre nach Teisserene
de Bort), welche gewisse Gegenden unserer Erde charakterisiren, auf ihre Umwandlungen und Ver
schiebungen ; denn neben der Temperatur sind sie das Bedingende für das Auftreten und die Fortpflanzung
unserer kleineren Depressionen und somit für die Witterungs-Phänomene unserer Gegenden. Hierdurch
erhalten wir einen höheren Standpunkt, um die einzelnen Witterungs-Epochen übersehen zu können und zu
beurtheilen, ob und warum in gegebenen Fällen der Witterungs-Charakter für längere Zeit beharrlich sein
wird oder nicht. Das ist die wissenschaftliche und verwerthbare Basis einer Wetterprognose auf längere
Zeit, ein sicherlich hochwichtiges Ziel! Deshalb kann die Durchführung des Hoffmeyer’schen Projektes
(Étude sur les tempêtes de l’Atlantique septentrional et projet d’un service télégraphique international relatif
à cet océan par N. Hoffmeyer. Copenhague 1880), die Faeröer, Island, Grönland und die Azoren
telegraphisch mit Europa zu verbinden, gleichzeitig die Bermuden mit Nordamerika, und so den Wetter
dienst westwärts auf den Atlantischen Ozean auszudehnen, nicht genug betont werden, wir würden dann im
Stande sein, die allgemeine Wetterlage auf einige Tage im voraus für unsere Gegenden mit grosser Wahr
scheinlichkeit des Eintreffens vorauszusagen. Auch die Vermehrung der Stationen in den niederen Breiten,
und telegraphische Berichte von denselben ist ein dringendes Desiderat für Prognosen auf längere Zeit,
denn hier ist der Heerd, von dem die grossen atmosphärischen Bewegungen der höheren Breiten ausgehen.
Bei dieser Gelegenheit ermangle ich nicht, die beiden bereits eingangs erwähnten bedeutungsvollen Arbeiten
über den vorhin besprochenen Gegenstand von Hoffmeyer und Teisserenc de Bort hier nochmals
anerkennend hervorzuheben.
Aus den obigen Darstellungen folgt auch die Wichtigkeit der Wolkenstudien, insbesondere in Beziehung
auf die oberen Wolken, welche uns Aufschluss geben über die Bewegungen der Luft in den höheren
Regionen, deren Kenntniss doch für das Verständniss des ganzen Mechanismus der atmosphärischen Zirkulation
durchaus nothwendig ist. Um aber diese nach allgemeinen Gesichtspunkten studiren zu können, ist es
nothwendig, dass die Wolken-Beobachtungen in extenso publizirt und in die täglichen Wetterberichte auf
genommen werden. Ganz gewiss wird unsere Wetterprognose so lange mangelhaft bleiben, als wir nicht
dahin kommen, von den Vorgängen in den oberen Regionen Kenntniss zu erhalten. Schon seit längerer
Zeit wurde beides von der Seewarte angestrebt, jedoch konnte dieselbe trotz wiederholter Aufforderung nur
verhältnissmässig wenig erreichen. Andererseits können die Bewegungen der Wolken nur unvollkommen ver
standen und gedeutet werden, wenn man diese von rein lokalem Standpunkte aus betrachtet, und dabei die
allgemeine Wetterlage, durch welche doch jene Bewegungen bedingt werden, ausser Acht lässt. Beispiels
weise ist es in diesem Falle wohl nicht möglich, die grossen ausgedehnten atmosphärischen Bewegungen
von kleineren Störungen, z. B. Randbildungen, Theilminima, Gewitter-Phänomenen etc. zu unterscheiden.
XX. Wirkungen der Depressionen auf den einzelnen Zugstrassen und allgemeine Charakteristik der letzteren.
Würden wir auch in jedem einzelnen Falle darüber ganz gewiss sein, welchen Weg eine gegebene
Depression für die nächste Zeit einschlagen wird und wie rasch sie sich fortpflanzt, so würden, trotz der
hohen Wichtigkeit dieser Erkenntniss für die ausübende Witterungskunde, dennoch viele Fragen zu lösen
sein, die sowohl für Sturm-Warnungen als Wetterprognosen überhaupt von sehr gewichtiger Bedeutung
sind, so dass das langersehnte und vielverheissende Ziel auch dann noch lange nicht erreicht wäre. Ueber
die Entstehung, Entwickelung, Verwandlung und Wirkung der Depressionen, über die vielen, manchmal
scheinbar unbedeutenden Modifikationen in der Wetterlage, die jedoch häufig ausserordentliche Aenderungen
des Wetters hervorbringen, sind wir meistens noch im Unklaren und nur ganz allmählich dürften wir hier
durch fortgesetztes systematisches Studium in unserer Erkenntniss weiter fortschreiten. Aus diesen
Gründen dürfte auch ein nur kleiner Beitrag zur Lösung dieser Fragen willkommen sein, wie er durch die
der Arbeit beigegebenen Tabellen und Karten über Bewölkung, Regenmengen und Regenwahrscheinlichkeit
sowie relative Feuchtigkeit für die einzelnen Zugstrassen gegeben ist. In Verbindung mit den Angaben
über die Vertheilung der Temperatur und ihre Abweichungen von der Normalen geben diese jedenfalls sehr
bemerkenswerthe Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Witterungs-Erscheinungen, welche sich in unseren
Gegenden vollziehen, wenn eine Depression eine bestimmte Zugstrasse einschlägt. Wir lassen hier nun
die Tabelle für die Hydrometeore folgen und besprechen dann die Wirkungen der Depressionen in den
einzelnen Zugstrassen.