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N i e d r i g w a s s e r in der südlichen Ostsee
Niedrigwasser an der Küste der Deutschen Demo
kratischen Republik in derZeit von 1900 bis 1980
einschließlich der Niedrigwasserereignisse an der
dänischen Küste wurden von Schmager (1984)
untersucht. In diesem Zeitraum traten 75 sturmbe
dingte Niedrigwasser auf, wobei deren Häufigkeit
in den letzten beiden Dekaden niedriger war als in
den ersten beiden Dekaden. Unter Extrembedin
gungen können die Pegel innerhalb von 12 Stun
den um mehr als 1,5 m fallen. Der Wasserspiegel
ist mit den örtlichen Windverhältnissen korreliert,
und die beste Windkorrelation für die DDR-Küste
wurde in Arkona gefunden. Aufgrund solcher Kor
relationen gelang es, verschiedene statistische
Vorhersagemodelle zu entwickeln. Ein sehr einfa
ches Modell sind Windstaukurven, in denen die
Wasserstände als Funktion von Windgeschwin
digkeit und -richtung dargestellt sind. Zum Bei
spiel ist beim Auftreten südwestlicher Winde von
20 m/s bei Kap Arkona ein Wasserstand von 1 m
unter dem mittleren Wasserstand in Warnemünde
zu erwarten. Allerdings spiegeln solche einfachen
Punktkorrelationen die komplizierten Abläufe in
der Natur nur unzureichend wieder. Mewes (1987)
unterscheidet drei Hauptzugbahnen von Tief
druckgebieten, die an der Küste der DDR Niedrig
wasser verursachen: erstens Tiefdruckgebiete, die
im westlichen Nordatlantik entstehen und die
Nordsee überqueren; zweitens Tiefdruckgebiete,
die sich südlich von Island bilden und in nordöst
licher Richtung ziehen; drittens Tiefdruckgebiete,
die bei Island entstehen und entlang Skandinavien
zum Polarmeer ziehen, ohne dass ihr Zentrum
dabei die Ostsee überquert. Nach der Wiederver
einigung von Deutschland untersuchten Baerens
et al. (1995) die Häufigkeit des Auftretens von
Niedrigwasser an der deutschen Ostseeküste zwi
schen Flensburg und Warnemünde, ohne in dieser
Studie jedoch den östlichen Teil der Ostsee zwi
schen Warnemünde und der polnischen Staats
grenze zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur
abnehmenden Häufigkeit von Niedrigwasserereig-
nissen an der Küste von Mecklenburg-Vorpom
mern waren an der Küste von Schleswig-Holstein
im Zeitraum von 1900 bis 1990 mehr Niedrigwas-
serzu verzeichnen. Diese unterschiedliche Ent
wicklung hängt vermutlich mit dem Küstenverlauf
zusammen, aber die genaue Ursache ist bisher
immer noch ungeklärt. In beiden Gebieten treten
Niedrigwasserereignisse gehäuft im Zeitraum von
November bis Januar auf.
Wasserspiegelschwankungen an der polnischen
Küste und im östlichen Teil der deutschen Küste
hängen vermutlich eng zusammen, aber eine
grenzüberschreitende Analyse von Niedrigwas-
serereignissen hat bisher noch nicht stattgefun
den. Daher ist die Entstehung von Niedrigwas
serereignissen in den verschiedenen Küstenab
schnitten sowie die genaue Ursache der Unter
schiede im Auftreten von Niedrigwassern in
verschiedenen Bereichen der Küste immer noch
nicht vollständig geklärt.
1.3 Geographische und hydro
dynamische Bedingungen
Das in der vorliegenden Monographie untersuchte
Gebiet ist die südliche Küste des westlichen und
mittleren Teils der südlichen Ostsee. Die westliche
Ostsee hat die Form einer nach Osten hin offenen
Bucht, die sich von 25 sm in Wismar auf 120 sm
bei Kotobrzeg (Abb. 1.3 a) erweitert. Der west
lichste Teil der südlichen Ostseeküste zwischen
Wismar an der Mecklenburger Bucht und Kap
Arkona auf Rügen verläuft ungefähr von Südwest
nach Nordost. Dieser Teil der Küste, an der die
Pegelstationen Wismar und Warnemünde liegen,
hat eine stark gegliederte Topographie mit Flach
wasserbereichen und einer Vielzahl kleiner Buch
ten, Untiefen und Sandbänken.
Der mittlere Bereich der Küste, der sich von den
Kreidekliffs bei Kap Arkona bis Swinoujscie und
bis an die Odermündung (Pegelstationen Sass
nitz und Swinoujscie) erstreckt, verläuft von
Nordwest nach Südost und ist ebenfalls stark
gegliedert mit kleinen, der Küste vorgelagerten
Sandinseln, Meeresengen und Sandbänken.
Auch in der angrenzenden Pommerschen Bucht
ist der Meeresboden sehr formenreich, wobei
Untiefen von weniger als 10 m überwiegen. Ein
besonders breiter Untiefengürtel liegt vorder
Insel Usedom, im Bereich des Pegels Swinoujscie
und um die Insel Wolin herum.
Der relativ gerade östliche Küstenabschnitt zwi
schen Wolin und Kotobrzeg verläuft von West-
Südwest nach Ost-Nordost. Auch die nur eine
Seemeile vor der Küste verlaufende 10-m-Tiefen-
linie hat einen relativ geraden Verlauf.
Betrachtet man die drei topographisch unter
schiedlichen Teile der Küste, so könnte man an
nehmen, dass die Wahrscheinlichkeit von Extrem
wasserständen in Sassnitz und in Swinoujscie in
etwa gleich ist. Dasselbe gilt für die Pegel in Wis
mar und Warnemünde. Wegen des Buchten
effekts nimmt die Wahrscheinlichkeit des Auftre
tens extremer Wasserstandsereignisse jedoch
von West nach Ost ab, wie aus Kapitel 3.3 ein
deutig hervorgeht. Eine der Hauptursachen dieses
Phänomens ist die Größe der offenen Wasserfläche
bezogen auf die Küstenlänge und die Vergröße
rung der Buchtenöffnung.