Einleitung
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1 Einleitung
1.1 Hintergrund
Extreme Wasserstandsschwankungen an den
Küsten sind in vielen Ländern ein wirtschaftliches
und ökologisches Risiko. Um die Auswirkungen
solcher Phänomene zu verringern, die katastro
phale Ausmaße erreichen können, werden welt
weit erhebliche Mittel in die Forschung und Tech
nik investiert. Sturmfluten sind Wasserstands
extreme, die wegen der von ihnen ausgehenden
Gefahren für die Küstenbewohner bereits einge
hend erforscht worden sind. Im Gegensatz dazu
ist der Stand der Forschung zu extremen Niedrig-
wasserereignissen sehr viel dürftiger. Da Niedrig
wasser jedoch das Risiko birgt, dass kleinere
Häfen trockenfallen und die Schifffahrt generell
behindert wird, ist ein Verständnis des Niedrig-
wassergeschehens von erheblicher Bedeutung für
die Sicherheit der Schifffahrt. Künftige Schiffsneu
bauten werden größer sein und einen größeren
Tiefgang haben, und die Fahrtzeiten zwischen den
Häfen werden noch mehr verkürzt, um weitere
Kosteneinsparungen zu erzielen. Für Reedereien
stellt die Umschlaggeschwindigkeit einen wesent
lichen Faktor dar. Auch der Fährverkehr ist natür
lich auf ausreichend hohe Wasserstände ange
wiesen, und Werften benötigen für das Ein- und
Ausdocken genug Wasser unter dem Kiel. Zuver
lässige Wasserstandsdaten sind unentbehrlich,
um die Sicherheit der Schifffahrt in den schwieri
gen Gewässern der südlichen Ostsee zu gewähr
leisten, vor allem bei extremem Niedrigwasser.
Die vorliegende Untersuchung von Niedrigwasser-
ereignissen im westlichen und mittleren Teil der
südlichen Ostseeküste wurde von der polnisch
deutschen Arbeitsgruppe W-1, Hydrologie und
Hydrogeologie in den deutsch-polnischen Grenz
gewässern, durchgeführt. Sie schließt sich an eine
im Jahr 2005 abgeschlossene Untersuchung his
torischer Sturmfluten an derselben Küste an, die
ebenfalls in deutsch-polnischer Zusammenarbeit
erstellt wurde. Die vorliegende Studie umfasst
allerdings einen fünf Jahre längeren Zeitraum als
die vorherige Studie. Das Projekt wurde gemein
sam vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydro
graphie Hamburg/Rostock (BSH) und dem polni
schen Instytut Meteorologii i Gospodarki Wodney,
Oddziat Morski (IMGW-OM) durchgeführt.
Im ersten Teil der Monographie wird, basierend auf
historischen Aufzeichnungen von Pegelstationen
entlang der deutschen und polnischen Küste, das
Phänomen extremer Niedrigwasser im westlichen
und mittleren Teil der südlichen Ostseeküste für
den Zeitraum 1955-2005 analysiert. Eine Liste
sämtlicher an ausgewählten Pegelstationen aufge
zeichneter Niedrigwasser wird vorgelegt, und es
wird eine statistische Auswertung der zu ihrem
Entstehen führenden Parameter vorgenommen.
Der zweite Teil enthält ausführliche Darstellungen
der zwanzig gefährlichsten Niedrigwasser im oben
genannten Zeitraum, jeweils mit einer Beschrei
bung der meteorologischen Lage und der Auswir
kung der herrschenden Luftdruckbedingungen auf
die Wasserstände an der Küste.
1.2 Überblick über den Stand der
Wissenschaft
Die wichtigste bisher veröffentlichte Arbeit zum
Thema Wasserstandsänderungen in der Ostsee ist
die von E. Lisitzin (1974). Es sind bereits mehrere
Arbeiten veröffentlicht worden, die sich mit extre
men Wasserstandsänderungen in der Ostsee
befassen (Majewski 1983, 1961; Stanislawczyk
2001; Sztobryn 2005) oder mit den Auswirkungen
gefährlicher Wetterlagen - Zirkulationsstörungen,
steiler Druckgradient und Starkwind (Stanislaw
czyk 2002; Wielbinska 1964). Im Unterschied zu
Sturmfluten, die zu steigenden Wasserständen an
der Küste führen, sind Niedrigwasserstände bisher
in weit geringerem Maße untersucht worden. Es
existieren nur wenige Studien zu diesem Thema
(Majewski 1985; Stanislawczyk 2001,2003;
Sztobryn 2001; Wroblewski 1970), darunter „The
low sea levels in the Baltic Sea“ mit einer Analyse
allgemeiner Eigenschaften niedriger Wasser
stände. Die bisher ausführlichste Untersuchung zu
Niedrigwasserereignissen an der polnischen Küste
stammt von Majewski und Dziadziuszko (1985).
Die Autoren untersuchten Niedrigwasser im Zeit
raum von 1951 bis 1976. Die meisten neueren
Studien untersuchen Niedrigwasserereignisse
nur im Rahmen allgemeiner Wasserspiegel
schwankungen. Die wichtigsten neueren Projekte
sind „Studies and Modelling of Severe Hydrome-
teorological Conditions Along the Polish Coast“
(Projekt ERB CE PDCP 925076 im Zusammen
hang mit dem Projekt SELF) und „Forecast of
Extreme Sea Levels by Artificial Neural Network-
Western Coast of Poland“ (Projekt 3T09003/200/98
des polnischen Wissenschaftsausschusses).
Für Niedrigwasserereignisse an der polnischen
Küste sind drei Hauptfaktoren verantwortlich:
Wind, der inverse barometrische Effekt und der
Füllungsgrad der Ostsee. Die allgemeinen atmo
sphärischen Bedingungen, die zu extremen Was
serständen führen, sind im Prinzip bekannt.