Skip to main content

Full text: 2, 1879

3 
1* 
In den angeführten Sätzen müssen wir vielfach einen gesunden Kern anerkennen; jedoch entbehrt 
die von Mühry mit ganz besonderer Vorliehe verfochtene Behauptung, dass der Wind sein Motiv vor sich 
habe, jeglicher Begründung, schon deshalb, weil der Begriff der Ursache durchaus nicht weiter definirt wird; 
soll darunter die die Beschleunigung liefernde Kraft verstanden werden, so ist dieselbe weder vor noch 
hinter dem Winde, sondern in den Druckdifferenzen auf seinem ganzen Wege zu suchen. 
Das Jahrzehnt von 1856—1866 war für die Entwickelung der Meteorologie von grosser Bedeutung. 
Erstens gewann das Studium der atmosphärischen Strömungen durch die Herausgabe des Bulletin inter 
national de l’Observatoire imperial im Jahre 1856, zunächst ohne, seit 1863 mit synoptischen Wetterkarten, 
eine feste Grundlage; zweitens fallen in diese Zeit theoretische Untersuchungen *), aus welchen hervorging, 
dass nicht nur meridional fortschreitende Körper durch die Erdrotation von ihrer Bichtung abgelenkt wür 
den, sondern dass diese Ablenkung vom Azimuth der Bewegung ganz unabhängig sei. 
Während jener erste Fortschritt alsbald zu der Ueberzeugung führte, dass die Luftbewegung höherer 
Breiten meistens von einer Anzahl einzelner abgerundeter Windsysteme beherrscht sei, so dass die meisten**) 
der später erscheinenden Abhandlungen und Lehrbücher im weiteren Ausbau der angebahnten Richtung 
eine ganz neue Physiognomie gewannen, übertrug man die frühere Erklärung der Ablenkung durch die 
Erdrotation meistens auch auf diejenigen Erscheinungen des Luftdrucks und der Luftbewegung, welche sich 
nunmehr als „Gerüst“ der Luftcirkulation zu erkennen gaben. Die Lehrbücher von John Herschel (1862) 
und Alexander Buchan (1867) stimmen hierin vollkommen überein. Herschel sagt pag. 67: „A complete 
account of all these characters (welche man an Cyklonen beobachtet) is afforded by Hadley’s principle as 
developed by Dove in his „Law of Rotation“, and applied to this specific dass of aeriel movements by 
Professor Taylor.“ Nun folgt die Erklärung eines Diagramms, in welchem Pfeile von allen Himmels 
gegenden auf ein Centrum niedrigsten Luftdrucks gerichtet sind, die von Nord und Süd kommenden mit 
den Spitzen am Centrum vorbeischiessend, während diejenigen von West und Ost genau dem Radius folgen. 
— Buchan macht pag. 148 seines „Handy-Book“ folgende Bemerkung: „The west and east currents, since 
they continue in the same latitude would blow in the same direction, if they were not disturbed by 
contiguous currents. Hence in a storm the whole System of winds rotates round the centrum.“ Ferner 
wird an einer früheren Stelle behauptet, dass es interessant sei, die Wirkung der Rotation der Erde auf 
Land- und Seebrisen zu beobachten, „wenn die Küste von Ost nach West liegt.“ — Buys Ballot erläutert 
in einem von Jelinek 1868 übersetzten interessanten Artikel in der Oesterreichischen Zeitschrift für Mete 
orologie, wie die halb kreisende, halb einwärts gerichtete Luftbewegung um ein barometrisches Minimum 
als ein Resultat der Kombination der aspirirenden Kraft des Minimums und der durch die Erdrotation 
erzeugten östlichen, resp. westlichen Komponente ursprünglich nördlicher oder südlicher Bewegung zu be 
trachten sei. Dieser Erklärung folgt vollkommen Clement Ley in seinem 1872 erschienenen Buche: 
„The laws of the winds, prevailing in Western-Europe.“ Dann sagt er aber ausdrücklich: „Only those 
particles which exist in the meridian of the baric minimum tend directly to circulate in the manner and 
degree described. Those which exist on either side of the meridional line have less gyration directly im- 
parted to them by the influence of the earth’s rotation in proportion to their distance from that line; and 
those which exist in the same latitude with the baric minimum have no such motion directly imparted to 
them at all, and would flow in a straight line from W to E into the depression if their course could be 
independent of that of the neighbouring portions of the atmosphere.“ — In dem vortrefflichen Werke von 
Reye: „Die Wirbelstürme, Tornados und Wettersäulen“ (1872), welches mit Erfolg und in richtiger Erkennt- 
niss der Bedürfnisse der Meteorologie auf mathematische Behandlung Gewicht legt, findet man gleichwohl 
nur die im Vorstehenden oft wiederholte Ansicht über den Einfluss der Erdrotation auf die Luftbewegung 
erörtert; indessen giebt Reye dazu folgende Fussnote: „Dass auch Luftmassen, welche von Osten oder 
*) Schon 1837 wurde von Poisson eine neue allgemeinere Darstellung der ablenkenden Wirkung der Erdrotation gege 
ben. Anerkennung fand seine Arbeit erst im Jahre 1859 in der Pariser Akademie, als von Babinet, Delaunay 
und Anderen ähnliche Untersuchungen ausgeführt waren. Ganz unabhängig davon scheint Ferrel 1860 zu demselben 
Resultate gekommen zu sein. 
**) Eine Ausnahme bildet u. A. das 1870 erschienene Werkchen: „Sonnenschein und Regen“ von Graeger, welches die 
Existenz synoptischer Karten fast gänzlich ignorirt und rein auf dem Dove’schen Standpunkte steht. Dass Aehnliches 
von den älteren Lehrbüchern von Schmidt (1860), Cornelius (1863) u. Müller (Kosmische Physik, frühere Ausgaben) 
gilt, kann nicht überraschen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.