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Auf Grund des von der Direktion der Seewarte, nach Maassgabe des hier angegebenen bei der Prü
fung angewendeten Verfahrens, an die Kaiserliche Admiralität erstatteten Berichtes über die Ergebnisse
dieser ersten Konkurrenzprüfung, schlug das hydrographische Bureau der Kaiserlichen Admiralität vor, die
in den Tabellen mit Nr. 1—5, 7—11 und 18—19 bezeichneten Chronometer für die Zwecke der Kaiserlichen
Marine anzukaufen, ausserdem wurden seitens der Direktion der Seewarte die beiden Chronometer Nr. 6 u.
Nr. 12 je für die Agentur derselben in Bremerhaven und für das Chronometer-Prüfungs-Institut angekauft.
Wenngleich der hier in Anwendung gekommene Modus der Beurtheilung, besonders die in dem
selben enthaltene Bestimmung, dass der Grösse B der doppelte Betrag beigelegt werden soll, von dem
Vorwurfe einer gewissen Empirie nicht freigesprochen werden kann, so scheint er uns dennoch vor allen
andern bisher in Vorschlag gebrachten Verfahren den Vorzug zu verdienen, und die bei vergleichenden
Prüfungen nahe liegende Gefahr der Benachtheiligung einzelner Gattungen von Chronometern vor andern
am meisten auszuschliessen. Es steht allerdings zu erwarten, dass es dem Chronometer-Prüfungs-Institute
mit der Zeit, durch die alljährlich auf demselben zu veranstaltenden Konkurrenzprüfungen, gelingen wird,
schärfere und auf strengeren wissenschaftlichen Grundlagen basirende Normen für die Ermittlung der
Güte der Chronometer festzustellen, bis dass solches aber geschehen, würden wir es nicht für angebracht
erachten, von diesem seit vielen Jahren auf der Sternwarte zu Greenwich erprobten Untersuchungsverfahren
abzuweichen, und wird dasselbe denn auch gegenwärtig, in Gemässheit der Bestimmungen des Hydrogra
phischen Bureaus der Kaiserlichen Admiralität, bei der Prüfung aller für den Ankauf für die Kaiserliche
Marine bestimmten Chronometer in Anwendung gebracht.
Von den verschiedenen in den letzten Dezennien zur Darstellung der Chronometergänge in Vor
schlag gebrachten Methoden (über welche der von Herrn Dr. Borgen in JahrgangII der hydrographischen
Annalen veröffentlichte Aufsatz „Längenbestimmungen auf See und die wissenschaftliche Behandlung der
Chronometer“ nähere interessante Mittheilung giebt) verdient die von dem hochverdienten Astronomen der
Pariser Sternwarte, Herrn Yvon Villarceau auf Seite 161 seiner wichtigen Abhandlung: „Recherches sur le
mouvement et la compensation des chronomètres, annales de l’Observatoire de Paris, mémoires tome VII,“
gegebenen Methode, als auf einer umfassenden wissenschaftlichen Diskussion der verschiedenen den Gang
der Chronometer beeinflussenden Fehlerquellen beruhend, unstreitig den Vorzug, weshalb sie denn auch
gegenwärtig wohl ausschliesslich, in ihren verschiedenen Modifikationen, hei den Ganguntersuchungen in
Anwendung gebracht wird. Wir wollen daher nachstehend eine kurze Entwicklung des von Herrn Villarceau
vorgeschlagenen Verfahrens geben, sowie dasselbe auf die Mehrzahl der in der Prüfung gewesenen Chrono
meter in Anwendung bringen und die aus den mit Hülfe desselben für die einzelnen Chronometer ge
fundenen Gangformeln abgeleiteten Gänge, mit den während der Prüfung selbst beobachteten Gängen
vergleichen.
Nachdem Herr Villarceau die Konstruktion der Chronometer und die Wirkung der auf den Gang
derselben einwirkenden Fehlerquellen — namentlich die aus der veränderlichen Reibung und ungleichen
Grösse des Schwingungshogens der Unruhe hervorgehenden — theoretisch diskutirt und eine Theorie des
Kompensationstreifens der gewöhnlichen Chronometerunruhe gegeben, sowie die analytischen Ausdrücke fin
den Einfluss der Temperatur auf die Kompensation entwickelt hat, zeigt er am Schlüsse seiner Abhandlung,
wie man sich mit Hülfe des bekannten Taylor’sehen Lehrsatzes aus den Beobachtungen, wenn diese sich
über einen hinlänglich grossen Zeitraum und genügend weite Temperaturgrenzen erstrecken, die nume
rischen Beträge der Einwirkungen der hier in Frage kommenden wesentlichsten Fehlerquellen seihst ableiten
und bei der Bestimmung der Chronometergänge in Rechnung tragen kann.
Betrachtet man nämlich den Gang g eines Chronometers als eine Funktion zweier unabhängiger
Variabein t und 9, der Zeit und der Temperatur, so lässt sich derselbe vermittelst des Taylor’sehen Lehr
satzes durch folgende Reihe näherungsweise darstellen:
9
0
d 2 g
dl 2
(6 ._ , d 2 g (9'—9) 2 d 2 g
1.2 " 1 'rf9 K n dü 1 1.2 ^dtdQ
(t'-t) (9'—9)+ • • • •
wo g den Anfangsgang für eine bestimmte Epoche t und Temperatur 9, g den Gang für eine andere Zeit
t' und Temperatur 9' bedeutet, und
dg d 2 g dg d 2 g
dl
-V ’ ,’ —-,v, u. s. w. die mit den Potenzen der endlichen Zuwächse
dl 2 d9 rf9 2
der Veränderlichen zu multiplicirenden Differentialquotienten der Funktion sind.