IV
werden die Beobachtungen dieser 9 Hauptstationen durch die Aufzeichnungen von Wind und Wetter an einer
Anzahl Nebenstationen an der Deutschen Küste, welche Aufzeichnungen der Seewarte ebenfalls, theils telegraphisch,
theils per Post eingesendet werden.
Es ist nun ferner die Mitwirkung einer Anzahl binnenländischer Stationen an diesem Systeme erforderlich,
damit die Seewarte mit Erfolg auf dem Felde der Sturmwarnungen arbeiten und den Verlauf der Stürme zum
Gegenstände wissenschaftlicher Untersuchungen machen könne; hierzu sind nöthig:
von je einer Station in Ost-, Mittel-, Süd- und Westdeutschland je zwei Depeschen täglich, und
von etwa 12 ferneren Orten je eine Depesche am Morgen jedes Tages.
Diese 16 Stationen müssen wo möglich folgendermaassen über das Deutsche Reich vertheilt sein:
1 in Ostpreussen, 1 in Brandenburg, 1 am Niederrhein. 1 in Ober-Elsass,
1 in Posen, 1 in Sachsen 1 in den Moselgegenden, 1 in Württemberg,
1 in Nieder-Schlesien, 1 nördlich vom Harze, 1 in Hessen, 1 in Altbayern und
1 in Hinterpommern, 1 im Münsterlande, 1 in Baden, 1 in Pranken.
Bei der Wahl dieser Stationen kommt neben Güte der Instrumente und Sorgfalt des Beobachters vornehmlich
in Betracht freie Lage mit möglichst wenig gestörten Wind- und Temperaturverhältnissen und möglichst geringe,
vor Allem aber genau bestimmte oder bestimmbare Höhe des Barometers über dem Meeresspiegel.
Die Mitwirkung dieser Stationen hofft die Deutsche Seewarte als eine freiwillige patriotische Thätigkeit
zu erlangen; wo die Uebermittelung der Depeschen an die Telegraphenämter beschwerlich fällt, ist die Seewarte
bereit die Kosten eines Boten zu tragen.
Die Mittheilungen, welche die Seewarte zu erhalten wünscht, brauchen nicht von allen Stationen in glei
cher Vollständigkeit geliefert zu werden. Das Minimum des Inhaltes wäre : Temperatur, Barometerstand, Rich
tung und Stärke des Windes, Bewölkung und Regenmenge; von einer Anzahl Stationen müssten hierzu die An
gaben des Psychrometers und die Temperaturextreme gefügt werden. Umfang und Form der Depeschen sollen
durch genaue Instruktionen geregelt werden.
Was die Beobachtungsstunde betrifft, so hat die Seewarte für ihre Stationen die Stunde 8 h Morgens (Lo
kalzeit) für die Morgendepesche deshalb wählen müssen, weil in der für Sturmwarnungen wichtigsten Jahres
zeit , vom Oktober bis zum März incl., die weitaus meisten Telegraphenstationen erst um 8 h geöffnet werden,
und die Beobachtung also unnütz veralten würde, wenn man sie um 6 h oder 7 h anstellen würde. Aus demsel
ben Grunde ist die Stunde 8 h Morgens auch in England, Holland und Dänemark für das ganze Jahr, in Frank
reich, Schweden und Norwegen für den Winter eingeführt; im Sommer werden in diesen Ländern die Beobach
tungen von 7 h Morgens telegraphisch gesammelt. Diese letztere Einrichtung ist auch bereits an einigen deut
schen Stationen in Bezug auf Witterungs-Depeschen eingeführt, welche sie dem Pariser Observatorium senden ;
sie empfiehlt sich in mehrfacher Beziehung überhaupt für die binnenländischen Stationen Deutschlands, wenig«
stens als vorläufige Maassregel bis zur Erreichung einer allgemein-europäischen Einigung betr. die Beobach
tungsstunden für die Wettertelegraphie, da im Sommer die Stunde 7 h für Beobachter in Deutschland gewohnter
ist und die Einsammlung der Telegramme dann zeitiger stattfinden kann ; im Winter aber, wo die Witterungs
depeschen die grösste Wichtigkeit besitzen, ist die Beobachtungsstunde 8 11 Morgens in ganz Westeuropa gleich
förmig durchgeführt. Zwar schicken die österreichischen und russischen Stationen auch im Winter die Beob
achtung von 7 h Morgens an die Zentralstellen telegraphisch ein, allein wegen des überwiegend ostwärts gerich
teten Fortschreitens der atmosphärischen Störungen in unseren Breiten ist für uns ein Anschluss an die west
lichen und nordwestlichen Beobachtungsnetze bedeutend wichtiger, als an die östlichen.
Es ist deshalb für die Seewarte erwünscht, von sämmtlichen 16 Stationen des deutschen Binnenlandes täg
lich Morgens eine Depesche zu erhalten, welche eine vom 1. Oktober bis zum 31. März um 8 h Morgens, vom
1. April bis ult. September um 7 h Morgens angestellte Beobachtung enthält und gleich nach der Beobachtung
möglichst rasch zum Telegraphenamt befördert ist.
Die Weiterbeförderung dieser Depeschen wird voraussichtlich unentgeltlich (als Staatsdepeschen) erfolgen;
die jetzt in Berlin stattfindende Sammlung meteorologischer Depeschen wird alsdann vermuthlich eingehen,
resp. z. Th. nach Hamburg an die Deutsche Seewarte übergeführt werden, welche der ihr durch Reichsgesetz ge
stellten Aufgabe der Herausgabe von Sturmwarnungen nur unter der Voraussetzung der Gewährung ausreichender
telegraphischer Verbindungen nachzukommen vermag.
Die Direktion der Deutschen Seewarte glaubt zuvörderst mit der Organisation des im Obigen dargelegten
Systems von Witterungstelegrammen, das dem direkten praktischen Bedürfnisse gewidmet ist, vorgehen zu
müssen; wie bereits erwähnt, hält sie indessen ein damit zusammenhängendes grösseres System von Beobachtungen
für nothwendig, welches das Material für die wissenschaftliche Forschung zu liefern bestimmt wäre. Sie behält
sich vor, Ihnen auch über diese Punkte Vorschläge zu machen und Sie um Ihre gef. Mitwirkung zu bitten,
wünscht indessen in dieser, mehr rein wissenschaftlichen Sache zuvor sich mit den meteorologischen Zentral
stellen des Deutschen Reiches über die zu wählende Organisation zu berathen.
Für die Direktion der Seewarte:
Hamburg, den 20. September 1875. Dr R ewma y eri
Hydrograph und stellvertretender Vorstand des
Hydrographischen Bureaus der Kaiserl. Admiralität.