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Durch die Vermittelung des General-Telegraphenamtes wurde es auch der Seewarte im Herbst 1877
möglich, die von Anfang an in das Programm aufgenommenen, aber bis dahin unerreichbar gebliebenen
Telegramme der einzigen nördlich vom Polar-Kreise gelegenen wettertelegraphischen Station Bodö in Nor
wegen sich zu verschaffen und ist seitdem, da auch die im Jahre 1876 ausserordentlich grosse Unregel
mässigkeit im Einlaufen dieser Depeschen jetzt grössten Theils gehoben ist, die tägliche Information vom
Morgen aus Norwegen als ausreichend und für die Zwecke der Wettertelegraphie sehr wichtig zu bezeichnen.
Um der Uebersicht über den Witterungszustand, auch für den östlichen Theil des von der Seewarte
mit einem Radius von etwa 1000 Seemeilen von ihrem Zentralpunkte aus gezogenen Gesichtskreises aus
reichende Sicherheit zu geben, war die Beschaffung einiger weiterer Nachrichten aus dem westlichen Russ
land und Polen nothwendig. Nach vielen, durch die verschiedene Auffassung der Stellung der Wetter
telegramme seitens der Telegraphenverwaltungen Russlands und Deutschlands hervorgebrachten Schwierigkeiten,
welche zu einer zeitweisen Einstellung des bereits im Mai 1876 begonnenen Verkehrs führten, wurde der
Empfang von drei direkten täglichen Telegrammen aus Riga, Wilna und Warschau, und eines Sammel-
telegrammes aus Petersburg gesichert, welches letztere die Hauptdaten von 4 weiteren Stationen zu liefern
bestimmt war, jedoch meistens nur 2 oder 3 derselben enthält, weil die anderen zu spät in Petersburg
einlaufen.
Das spät und sehr unregelmässig einlaufende Telegramm aus Pera, welches die Seewarte mit den
übrigen Telegrammen von Berlin übernahm, konnte sowohl wegen seines häufigen Ausbleibens als weil der
ferne Südosten, aus den oben angeführten Gründen, als diejenige Gegend bezeichnet werden kann, welche
für die Wetterprognose nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse nur von untergeordneter Be
deutung ist, keinen Werth für die Seewarte haben und wurde deshalb, als im Uebrigen der Ausbau ihres
wettertelegraphischen Verkehrs sich seiner Vollendung nahte, von ihr aufgegeben und eingestellt. Die
Beschaffung vollständigerer Nachrichten aus Frankreich durch Reform des früheren allgemeinen Expose’s
über die Lage der Atmosphäre, das von Paris ausging, ist bereits oben erwähnt.
Nachmittags-Telegramme. Vor dem 1. Januar 1876 bezog sich der ganze wettertelegraphische Ver
kehr Deutschlands auf den Morgen, oder wurde Avenigstens die am Abend angestellte Beobachtung nur als
Ergänzung des Telegrammes vom folgenden Morgen empfangen und nicht weiter verwendet. Da aber der
Zeitraum von 24 Stunden in unseren Breiten bei raschen Schwankungen des Barometers und der Witterung
überhaupt ein für die Verfolgung der Witterungsphänomene zu grosser ist, so richtete die Seewarte nach
dem Beispiele Englands, Frankreichs und Norwegens ein zweites Telegramm von einer beschränkten Anzahl
von Stationen ein, das auf eine Nachmittagsstunde sich bezieht, als welche zuerst 4 Uhr, seit dem 1. Januar
1877 aber 2 Uhr Nachmittags angenommen wurde. Es wurden hierfür zunächst 12 Stationen im Inlande
und 2 im Auslande (Wien und Utrecht), von denen die Telegramme allein zu beschaffen waren, gewählt
und die Zahl der ausländischen Stationen alsdann durch die Hinzuziehung erst einer, dann dreier britischen
und zweier schwedischen vermehrt. Der Empfang eines Telegrammes von einer Station in Südnorwegen
oder im nördlichen Jütland bleibt zunächst noch ein lebhaftes Desiderat.
Witterungstelegramme aus Deutschland nach dem Auslande. Aus Deutschland gingen an Witterungs
telegrammen bis zum 1. Januar 1876 nur folgende hinaus: ein Telegramm, enthaltend Barometerstand,
Temperatur, Wind und Bewölkung um 6 h a.m. in Berlin um 6 Uhr Morgens für Paris, Brüssel und Pera
und ein Telegramm von Kuxhaven nach altem englischen Schema für London. Da es in den meisten
Nachbarstaaten ein lebhaft empfundenes Bedürfniss war, Witterungstelegramme aus Deutschland, Avelches
eine grosse Lücke im telegraphisch-meteorologischen Beobachtungsnetze Europas bildete, zu bekommen,*)
so suchte die SeeAvarte stets an der Gegenseitigkeit im internationalen Austausche der Witterungsdepeschen
festzuhalten. Theils vom Beginne des Jahres 1876 an, theils im Laufe der beiden Jahre 76 und 77 Avurden
von ihr im thunlichsten Entgegenkommen gegen die Wünsche der Schwester-Institute im Auslande, folgende
tägliche Telegramme an auswärtige Institute in’s Leben gerufen, die mit Ausnahme des Telegrammes nach
Pera auch jetzt fortdauern; von denjenigen, welche während dieses Zeitraumes Umgestaltungen erfahren
haben, geben wir nur die neueste Form.
a) Direkte Telegramme einzelner deutscher Stationen:
*) Vergl. z. B. die Aeusserung von Mohn im „Bericht über Wettertelegraphie und Sturmwarnungen an den Meteorologen-
Kongress zu Wien“ p. 35.