Skip to main content

Full text: 65, 1937

542 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1937, 
nie mein eigenes Erstaunen vergessen, als ich in 10 m Tiefe der Kieler Förde 
die ersten Asterias rubens und Ophiura albider sah, graubleich oder schwach 
bläulich, von einer dünnen Lage Sediment überdeckt, kaum sichtbar, Ich 
nahm Exemplare an Deck mit, wo sie dunkle blaue und rote Farben zeigten, die 
sie in ihrem Lebensraum also scheinbar (zuweilen auch wirklich) verlieren. Wie 
anders, prangend in Farben, springen Seesterne und Schlangensterne dem Be- 
obachter vor dem Aquarium ins Auge, Die Aufsicht etwa auf Cyanea capillata 
oder Aurelia auritiqa zeigt dem Beschauer von Deck aus schöne rote und blaue 
Farben, der Taucher sieht sie wohl auch, aber Farben und Bewegungen stimmen 
so überein mit allem was im Wasser treibt, daß es nicht auffällt, wie schnell 
die Quallen im Weitertreiben wieder in der farbigen Dichte des Wassers ver- 
schwinden. Bei 7 m Tiefe ist in der freien Ostsee das Rot der Quallen noch 
erkennbar. Sehr häufig sah ich, im Gegensatz zu oberen Schichten, am Grunde 
in 10 bis 20 m Tiefe die zierliche kleine Kugelrippenqualle, Pieurobrachia piteus M., 
etwa 1 bis 2 m über Grund schwebend; hat sie im Aquarium hellblaue oder rosa 
Farben, so wirkt sie unten gläsern durchsichtig, nur die Flimmerrippen er- 
scheinen bleichweiß, Es gilt überhaupt für Plankton und Nekton, daß es von 
unten gegen die heile Wasseroberfläche fast unsichtbar ist, nur gegen Treibholz 
oder dunkle Tiefen erscheint Form und Farbe, eine Beobachtung, die auch 
Delsman nach Beobachtungen eines Tauchers in Ostindien wiedergibt. 
Die Entdeckung der Absorption der langen Lichtwellen in den obersten 
Schichten des Meeres, die wohl auf Heliland-Hansen zurückgeht, ist von 
größter Bedeutung für das Verständnis der Farben der Seetiere. Longleys 
Studien ergaben, daß rote Fische entweder in größerer Tiefe leben oder als 
Nachtfische an die Oberfläche kommen. So’sind sie nur für den Luftmenschen 
rot, für ihre eigne Umwelt vorzüglich angepaßt. Ebenso sind Grau und Braun 
für Bodenfische, Blau für solche der mäßigen Wassertiefen auch in den kräftigsten 
Varianten die denkbar besten Farben. Longleys Bilder zeigen, daß diese 
„farbenprächtigen“ Tiere der tropischen Flachsee (auch Krebse, Cephalopoden 
verhalten sich dementsprechend} in wenigen Metern Entfernung für Auge und 
Linse völlig verschwinden, So werden theoretische „Warn- oder Sexualfarben‘“ 
zu einfachsten Mitteln der Unterwaszertarnung. Ausgesprochen dunkle Rücken 
and weiße Bauchfarbe haben nur Oberflächenfische, denen das Schutz gegen 
Aufsicht aus der Luft und der Wassertiefe bietet, ebenso wie das viele Weiß der 
Seevögel wohl mit der von unten weiß, nicht „wässerig“ wirkenden Wasserober- 
Häche zusammenhängt. Aber mit zunehmender Tiefe wird Blau, Grün und deren 
graue Schattierungen der beste Schutz, der Fisch verschwindet mit wenigen 
Flossenschlägen im Nichts des blauen Doms um den Beobachter, 
Hier ergibt sich ein weites Studienfeld für die „Umwelt-Biologie“ im Sinne 
Öxkülls. Die stoßweise richtungsändernde Fluchtbewegung der Fische hat für 
den Beobachter an Deck oder vor der Aquariumscheibe keinen Sinn, wohl für 
die Tiere in natürlicher Umwelt, die dadurch völlig „im Nebel“ verschwinden, 
Bei so kleinem Gesichtsfeld des Verfolgers und Verfolgtem ist starke Seh- 
befähigung unnötig, Überraschung ist trotzdem ebenso schnell möglich wie die 
Flucht. Diese „Bewegungsformen im Wassernebel“ bringen ja auch den Fisch 
ins Netz, nicht umsonst nimmt der Fischer in Mondnächten helle Netze, 
Die Schilderung der optischen Umwelt des Tauchers und seiner lebenden 
und toten Umgebung führt schließlich zu der Frage, ob der Taucher nicht selber 
wenigstens die Lebewesen aufstöre, und, als Fremdkörper schreckend, auch nicht 
zur Beobachtung ungestörter Wirklichkeit der Unterwassernatur komme. Alle 
Beobachter stimmen darin überein, daß das nicht der Fall ist. Beim Taucher in. 
der Rüstung ist das auch nicht sehr merkwürdig, denn er ist frei von plötz- 
lichen, unnatürlichen Bewegungen der Luftwelt, vor allem er kommt nicht wie 
stoßende Vögel, wie Harpunen oder Schwimmer von oben, die gleichmäßig hell- 
blaue Decke des Nebels seitwärts oder den weißen Spiegel der Oberfläche senk- 
recht durchreißend. Gleich wie anderes Nekton und Benthos bewegt er sich 
langsam mehr kriechend als schreitend, schwankend im Strom, im gleichen. 
Rhythmus wie jedes Algenbüschel, steigend und schwebend wie der Fisch mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.