538 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1937.
der Ostsee habe ich derartiges nur einmal gesehen, wo die scharfe Grenze um
10 m Wassertiefe 7 m über Grund lag.
Die Suspension hat wohl deshalb eine so große Bedeutung für die Sicht-
weite, weil der Luftbeobachter mit den Einfallsstrahlen ins Wasser sieht und
Inhomogenitäten der Wasseroberfläche und des Wasserinnern in der Entfernung
wie ein Raster wirken. Der Taucher hingegen sieht jeden einzelnen Fremdkörper
im freien Wasser von der Seite in scharfer „Deckenbeleuchtung“. Es war mit
mein erster starker Eindruck (an den man sich nachher wie an manches völlig
gewöhnt), daß das von oben klar grün scheinende Wasser der Kieler Förde beim
Abstieg sich in allen Schichten als dicht mit massenhaften groben hellen oder
weißen Schwebekörpern erfüllt erwies, Mit der Zeit lernt man auch tierisches
Plankton darin identifizieren. Das sieht man auch von der Seite im Aquarium
(wenn auch wegen der allseitigen Beleuchtung‘ nicht so scharf), von der Wasser-
Oberfläche her sieht man ebenfalls bei gleicher Wasserzusammensetzung nichts
davon. Dabei wirken diese Körper im klaren Wasser nicht als Trübung, ab-
sorbieren aber Licht und begrenzen die Durchsichtigkeit trotzdem. Kaum nötig,
daß man betont, wieviel das Wetter ausmacht, Sieht man doch noch in 10 bis
15 m Tiefe, wo längst kein Schiffskörper mehr zu sehen ist, wenn man am Boden
in seinen Schatten gerät; wird es doch unten sofort dunkler, wenn eine unsicht-
bare Wolke vor die Sonne tritt.
Im einzelnen verschieden, grundsätzlich aber gleich heben auch Beobachter
aus andern Breiten die ganz andern Verhältnisse hervor, in denen der Taucher
sieht, und die man von oben nicht beurteilen kann. Longley 1918 schildert
sehr lebendig, daß frühere Beschreibungen der Korallenriffe ein ganz falsches
Bild ihrer Wirklichkeit hervorrufen, da sie Korallen und Gorgonien immer nur
zwei dimensional sahen, Das Wasser darunter erschien danach kristallklar,
farblos, durchsichtig, mit klaren Umrissen und unendlichem Fernblick. Jedes
Lebewesen, auch der Taucher, erlebt das unten ganz anders. Vertiefungen
werden zu Abgründen, Treppen zu Wällen, kleine Korallenköpfe werden zu
Türmen und Graten, das Wasser bleibt nicht länger substanzlos klar, sondern
im diffusen Oberlicht verliert sich die Ferne im Schatten, die Tiefe in Finsternis,
alle Umrisse werden zu weichen verwaschenen Formen.
Fol hat frühzeitig an der Riviera Beobachtungen über diese Dinge gemacht,
die auch für unsere Breiten Geltung haben. Vieles davon ist in unter Wasser
aufgenommenen Bildern zu sehen, der an die Erscheinungsformen der Unter-
wasser-Landschaft gewohnte Taucher kann daran ohne weiteres die Aquariums-
aufnahme von der echten Unterwasserphotographie unterscheiden. Aber von
Boutan bis Longley und Beebe betonen gerade die, die diese Sehweise deshalb
wenigstens teilweise photographisch festzuhalten suchten, wie unmöglich es ist,
dem Nichttaucher diese „andere Welt“ lebenswahr zu schildern. Jeder, der ein-
mal unten war, wird dem recht geben. Versuchen wir deshalb nicht, von der
eigenartigen, manchmal unheimlichen Schönheit jener unklar begrenzten stillen
Welt eigner Farben zu sprechen, sondern nur eine Erklärung für die Besonder-
heiten zu geben, unter denen die Umwelt des Tauchers als echtes Unterwasser-
jebewesen steht,
Im Luftraum wird der Mensch durch die vielfältige Reflexion von allen
Seiten bei „unendlicher“ Sicht von Licht umflutet und erlebt deshalb im Wasser
den Gegensatz um so stärker, Auch bei klarstem Wasser tritt die Reflexion stark
vor der Absorption zurück, das Licht dringt nur von oben ein, wie durch die
Skylights einer Kajüte bei überfluteten Bulleyes. Die Wasseroberfläche ist bei
ruhigem Wetter ein undurchsichtiger silberner Spiegel, dessen Glanz durch das
Oberfenster des Helms merklich stärker als durch die übrigen Scheiben eindringt,
Diese körperlich wirkende helle Fläche kann durch die sprudelnden Luftblasen
unterbrochen sein, sie bleibt aber bei Ruhe und Bewegung gleich opak. Ist das
Wasser bewegt, spiegeln sich die Lichtreflexe auch einige Meter nach unten zum
Boden. Sieht man durch die geschlossenen Bullaugen der Unterdecksräume eines
Schiffs nach oben zum Wasserspiegel, hat man das gleiche Bild. Diese licht-
spendende Fläche ist begrenzt, außerhalb des X 62° 50‘ (nach Fol) 1äßt die