Schröder, G.: Vom „Grünen Strahl“.
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an, um wie allabendlich den Grünen Strahl zu beobachten. Was ich jetzt sah,
war eins der entzückendsten Schauspiele, welches mir die Natur je geboten hat.
Mitten in der untergehenden Sonne ragte der Gipfel des Orizaba aus der Kimm
heraus! (Bild 1.) Wer Verständnis hat für solche Phänomene, wird sich nicht
wundern, wenn ich sage, daß uns der Anblick in Erregung versetzte. — Der
feine Dunstschleier wirkte sehr günstig wie eine beinahe farblose Abblendung.
Unsere Erregung wich nun gleich der Spannung, ob an dem so weit entfernten
Berge der Grüne Strahl erscheinen würde. Und tatsächlich: der Strahl wurde
hervorgebracht, aber er war ganz blau und dauerte kaum eine Sekunde lang
Als noch ein ganz schmales Segment der Sonne zu sehen war, etwa 2 Bogen-
minuten dick und 12 lang, wurde dieses plötzlich, an den Enden beginnend,
lichtblau, Das Blaue lief schnell zusammen (Bild 2), und das nunmehr ganz
olaue winzige Segment verschwand nach einer halben Sekunde. Mit bloßem Auge
hätte man es nicht sehen können,
Es wurde dann der Höhenwinkel des Berges über der Kimm zur Abstands-
bestimmung gemessen, es waren 18,6 Bogenminuten. Nach der Tafel 8 der
„Terrestrischen Ortsbestimmung“ von Kapitän Karbiner ausgewertet und um
den Wert, welcher der Einwirkung der Strahlenbrechung entspricht, vergrößert,
ergab die Messung den Abstand von 140 Sm. Die Peilung des Berges konnte
ınabhängig vom Kompaß aus der Azimut-Tabelle entnommen werden, Der so
aus Höhenwinkel und Peilung ermittelte Schiffsort wurde gleich darauf durch
eine Sternbeobachtung (Ort aus vier Höhen) als für die Navigation genügend
genau bestätigt.
Als die Sonne nun verschwunden war, kam noch eine Zugabe. Hinter dem
Berg erhob sich ein Schattenkegel, der bald die Höhe der Dunstbank erreicht
hatte. Beim flüchtigen Hinschauen hatte man den Eindruck, daß der Berg
schnell wuchs. Im Teleskop war es ein reizvoller Anblick (siehe Bild 3). Der
Berg selbst war in dem Kegel scharf zu sehen. Der Schattenkegel verbreiterte
sich immer mehr, in der Art wie Bild 4 es zeigt, und verlor sich nachher, als
es dunkler wurde.
I. Beobachtungen des Grünen Strahles an der Nordseeküste,
Von Dr. Wilhelm Hartmann, Hannover,
Bei der Beobachtung eines Sonnenunterganges auf der Nordseeinsel Wangeroog
zum Zwecke der Feststellung der Zerrbilder der untergehenden Sonne wurde
am 8. September 1933 der „Grüne Strahl“ beobachtet. Da das Wetter weiter
günstig blieb, wurde an den folgenden Abenden stets auf das Auftreten geachtet.
Dadurch gelang es, ihn in der Zeit vom 8. bis 21. September fünfmal zu beobachten.
Der Beobachtungspunkt war während der Sonnenuntergänge die Strandmauer
der Westspitze von Wangeroog in der Nähe des Fundamentes des alten West-
turmes, während des einen Sonnenaufganges die Dünen südöstlich davon bei
dem neuen Westturm. In allen Fällen war der Horizont völlig frei.
Als Beobachtungsmittel diente ein sechsfaches Prismenglas,
im folgenden ist eine Zusammenstellung der Beobachtungen gegeben:
8. September: Die Sonne versinkt, rotgefärbt, ohne wesentliche Deformation,
am Westhorizont. Es sind lediglich kleine Einkerbungen am Sonnenrand zu
arkennen, Mit dem Verschwinden des letzten Stückes der Sonnenscheibe unter
dem Horizont löst sich ein Tropfen oberhalb der Stelle ab, wo eben die Sonne
verschwunden ist. Er ist weiß gefärbt, nimmt aber im Erlöschen eine lichtgrüne
Farbe an. Dieser Vorgang wurde durch einen anderen Beobachter bestätigt.
9. September: Die Sonne sinkt wieder ohne wesentliche Deformation unter
den Horizont. Lediglich der Rand der Sonne ist mit zahlreichen Einkerbungen
versehen. Das letzte Segment (etwa !/„„ der Sonnenscheibe) färbt sich reingelb
(zitronen-chromgelb). Dann wird von den Zwickeln her der Rest reingrün, während
die Mitte noch gelb bleibt. Mit dem endgültigen Versinken ist für etwa eine
Sekunde eine prachtvoll leuchtende smaragdgrüne Stelle am Horizont zu sehen.
10. September: Auch heute geht die Sonne wieder zitronengelb unter. Ihre
Lichtstärke macht die Beobachtung durch das Glas nicht ganz einfach. Wieder