Skip to main content

Full text: 65, 1937

192 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Norember 1937. 
Phänomens ganz richtig wiederzugeben, wie die Reproduktionen der Tafeln 61 
und 62, In Wirklichkeit sind die Farben des Strahles so schön, daß es jedesmal 
von neuem ein Genuß ist, sie zu sehen. Gerade wegen der vielen Nuancen, die vor- 
kommen, ist man stets voller Erwartung. Und trotz der unzähligen vorkommenden 
Nuancen ist das „Grün“ doch nicht mit irgendeinem anderen Grün in der Natur 
zu vergleichen, Es ist etwas ganz Eigenes, etwas Sonniges, man könnte sagen 
Flüssiges, mitunter von so lichter Zartheit oder zarter Lichtheit, und dann wieder 
einmal von so unerhörter Sattheit, daß es eine Kühnheit wäre, es wiedergeben 
zu wollen. Und ich kann den Artikel in der „Morning Post“ verstehen, den Jules 
Verne in seinem entzückenden Roman „Der grüne Strahl“ bringt, um ein junges 
Mädchen erpicht darauf zu machen, den Strahl zu sehen, koste es was es wolle. 
Das Mädchen jagt einer Gelegenheit, ihn zu sehen beharrlich nach, und als die 
Natur nun endlich so gütig ist, in ihrer Gegenwart den Strahl hervorzubringen, 
verpaßt sie den Augenblick, weil sie ihrem Geliebten in die Augen sehen muß, 
Der Artikel lautet gekürzt wie folgt: 
„Wer die Gelegenheit findet — sie bietet sich'sebr selten — das Phänomen zu beobachten, wird 
sin wunderbares Grün schen, ein Grün, wie es kein Maler auf seiner Palette erreichen kann, ein Grün, 
dessen Ton die Natur weder in der so mannigfachen Färbung der Pflanzen noch in der Farbe der 
klarsten Meere getroffen hat! Weon es Grün im Paradiese gegeben hat, dann kann es nur dieses 
Grün gewesen sein, das wahre Grün der Hoffnung,“ 
Wenn man bedenkt, daß ich den Strahl im Verlauf von zwei Monaten 
mindestens $5mal gesehen habe — davon mehr als zehnmal bei Sonnenauf- 
gängen —, muß man den Astronomen recht geben, die behaupten, daß der „Grüne 
Strahl“ nur deswegen als seltene Erscheinung gilt, weil man sich zu Unrecht ein- 
bildet (wie die „Morning Post“ und Jules Verne), daß er selten zu sehen sei. 
{l. Der Grüne Strahl an einem 140 Seemeilen entfernten Bergabhang. 
Von Kapitäa Gustar Schröder, H.-A,L, 
(Hierzu Tafel 62, links.) 
Der Grüne Strahl entsteht beim Verschwinden der Sonne oder der Venus 
hinter einem terrestrischen Objekt, sei es der Meereshorizont, ein Gebirge, eine 
Wolke oder ein Bauwerk. Vom Vorkommen des Grünen Strahles beim Mond 
and anderen Gestirnen liegen, soviel ich weiß, keine Berichte vor außer dem 
meinigen in dieser Zeitschrift 1935, 5. 338, Ziffer 5 [Mond]. 
Über die Frage, wie weit das terrestrische Objekt vom Beobachter entfernt 
sein muß, um das Phänomen möglichst deutlich entstehen zu lassen, und aus 
welcher Materie das Objekt gegebenenfalls sein muß, habe ich in den in Deutsch- 
jand erschienenen Veröffentlichungen noch nichts gefunden. 
Nach meinen eigenen Beobachtungen und Versuchen ist ein Meereshorizont 
im Abstande von 5 bis 10 Sm am geeignetsten. Doch habe ich auch ganz schöne 
Beobachtungen vom Grünen Strahl an ebensoweit entfernten scharfen Wolken- 
rändern gemacht, Versuche, hinter nur etwa 1000 m entfernten Objekten den 
Strahl festzustellen, mißlangen, Die Abstände der Gebirgskämme, hinter denen 
ich die Erscheinung gesehen habe, waren bisher etwa 6, 20 und 50 Sm. Je 
weiter das Gebirge entfernt war, desto schmaler war der Strahl und desto 
kürzer seine Dauer. Jetzt hatte ich Gelegenheit, den Strahl an einem 140 Sm 
entfernten Bergesabhang zu beobachten, worüber hier berichtet werden soll, 
Bei der Ansteuerung von Veracruz am 14, Januar 1937 erlebten wir beim 
Sonnenuntergang folgendes: Als der Unterrand der Sonne noch etwa einen Grad 
vom Horizont entfernt war, schien sie noch so feurig, daß es unerträglich war, 
hinzuschauen, so klar war die Luft. Da der 5550 m hohe Orizaba in der Rich- 
tung der Sonne lag und bei seinem Abstand von etwa 140 Sm mit seinem Gipfel 
die Kimm schon um ein Drittel Grad überragen mußte, wie ich errechnet hatte, 
so unterhielten wir uns darüber, wie schön es wäre, wenn er gerade in der 
Sonne auftauchen würde, ohne jedoch ernstlich an die Möglichkeit zu glauben, 
Als dann die Sonne mit dem Unterrand die Kimm berührte, war sie in einen 
ganz feinen Dunstschleier eingetaucht, welcher leuchtend etwa bis zu einem 
halben Grad über der Kimm lag, und ich setzte das 20fach vergrößernde Fernrohr
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.