Wagner, A.: Die allgemeine Zirkulation im strengen Winter 1928/29. 451
Dezember, Nur im Bereiche des Stillen Ozeans und Nordamerikas kann
noch von einer typischen Verstärkung der allgemeinen Zirkulation gesprochen
werden: Im Bereich des Aleutentiefs ist der Druck um mehr als 10 mb unter-
normal, und von hier erstreckt sich eine Rinne bis nach Westgrönland hin; in
den Roßbreiten dagegen ist der Druck um mehr als 5 mb übernormal. In den
Tropen zieht sich ein breiter Streifen unternormalen Druckes vermutlich über
die ganze Erde hin. In Asien hat sich die Verstärkung des Sibirischen Hochs
mit ihrem Kern weiter nach Süden verlagert und die ganze Polkappe zeigt
unternormalen Druck. Die auffälligste Änderung gegen November ist im Nord-
atlantischen Ozean zu erkennen, wo der Luftdruck in den gemäßigten Breiten
stark angestiegen ist und wo nun an Stelle der verstärkten Tiefdruckrinne ein Kern
übernormalen Druckes auftritt. Dies ist um so bemerkenswerter, als dieses
relative Hoch nicht durch niedrige Temperaturen in den unteren Schichten
erklärt werden kann, die Bodentemperaturen sind hier vielmehr übernormal, so
daß dieses Hoch wohl durch eine kalte Stratosphäre bedingt sein dürfte, Da
vom Bereich dieses Hochs bis gegen den Äquator hin übernormaler Druck herrscht,
muß wohl angenommen werden, daß der neugebildete relative Hochdruckkern
in 50° bis 60° N-Br. mit dem Azorenmaximum in Verbindung steht. Hingegen
könnte der übernormale Druck in Sibirien bereits durch die unternormalen
Bodentemperaturen seine Erklärung finden.
Auf der Nordhalbkugel ist also die Verteilung der Druckanomalien nicht
einheitlich, im Stillen Ozean und wohl auch über Nordamerika herrscht noch
verstärkte Zirkulation, im Atlantischen Ozean, wo der mittlere Druckunterschied
30° bis 65° N-Br. unternormal ist, scheint eine Umbildung im Gange zu sein. Auf
der Südhalbkugel sind die Druckverhältnisse sehr unbestimmt,
Was die Temperatur betrifft, so ist dieselbe im nördlichen Teil Nordamerikas und
Europas, dort wo nach der Druckverteilung zusätzliche Winde aus W anzunehmen
sind, übernormal, aber auch auf der ganzen Polarkappe und ebenso im größten Teil
des Nordatlantischen und des Stillen Ozeans bis zum südlichen Wendekreis. In
den mittleren Breiten Eurasiens (Zusatzwinde aus E) ist die Temperatur unternormal,
Jänner. Gegen Dezember hat sich auf der Nordhalbkugel eine gewaltige
Umwälzung vollzogen. Die ganze Nordpolarkappe, die im Dezember einheitlich
unternormalen Druck aufwies, zeigt jetzt kräftig erhöhten Druck mit dem
Maximum von über 20 mb zwischen Island und Spitzbergen, das Azorenmaximum
dagegen eine negative Druckabweichung von mehr als 15 mb. Der Druck auf
den Azoren ist jetzt niedriger als auf Island (Punta Delgada 1010.7 mb, Stykkis-
holm 1020.0 mb). Die drei inselförmigen Gebiete mit positiver Anomalie in etwa
10° N-Br. können vielleicht als Abschwächung der äquatorialen Tiefdruckrinne
gedeutet werden. So ergibt sich das Gesamtbild einer ziemlich einheitlich aus-
geprägten unternormalen Zirkulation auf der ganzen Nordhalbkugel; nur im
Stillen Ozean ist zwar das Roßbreitenhoch ebenfalls abgeschwächt, im Bereiche
des Aleutentiefs dagegen ist der Luftdruck noch stärker unternormal, so daß
hier die im Dezember deutlich sich zeigende positive Anomalie der Zirkulation
noch nicht ganz verschwunden ist. Auf der Südhalbkugel sind die Verhältnisse
ähnlich denen der Nordhalbkugel, aber weitaus nicht so ausgeprägt: Nach den
Werten von Südgeorgien und den Südorkney-Inseln scheint der Polardruck erheb-
lich übernormal zu sein, während in rund 40° S-Br. (mit Ausnahme des Indischen
Ozeans) der Druck niedriger ist als normal.
Sehr interessant sind die Temperaturverhältnisse auf der Nordhalbkugel:
Ganz Eurasien sowie die mittleren Breiten von Nordamerika sind unternormal,
in Sibirien —Spitzbergen und in Nordamerika liegt je ein Kern mit einer negativen
Temperaturabweichung von mehr als 5°C. So zeigt sich in rund 40° N-Br, ein
ziemlich geschlossener Gürtel um die ganze Erde herum, in welchem der Luftdruck
zu tief ist trotz unternormaler Temperatur. Ebenso ist in sehr hohen Breiten
der Luftdruck trotz hoher Bodentemperaturen übernormal. Daraus muß geschlossen
werden, daß die Anomalie des Druckgefälles etwa zwischen 40° und 70° mit der
Höhe weiter zunimmt; der „Sitz“ der dadurch bedingten Abschwächung der
W-Trift liegt also in größeren Höhen.