Ann. d. Hydr. usw., LXV. Jahrg. (1937), Heft X.
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allgemeine Zirkulation im strengen Winter 1928/29.
Von A, Wagner, Innsbruck.
(Hierzu Tafel 57 mit Figuren 1 bis 10.)
Zusammenfassung. Die fünf Monate November bis März des strengen Winters 1928/29 werden
auf Grund der Verteilung von Druck- und Temperatur-Anomalien auf der ganzen Erde besprochen.
Es handelt sich vermutlich um ein Hin- und Herpendeln der Intensität der allgemeinen Zirkulation
ım ihre Gleichgewichtslage im Sinne A. Defants: November übernormale Zirkulation, Dezember
BOerFAng: Jänner und Februar stark unternormale Zirkulation, März wieder Übergang in verstärkte
re "don Nordatlantischen Ozean ergibt sich aus den Zahlenwerten von A, Defant und
A. Peppler für die Wintermonate eine erhebliche Erhaltungstendenz der Anomalie der allgemeinen
Zirkulation von Monat zu Monat (74% Zeichenfolgen), im Sommer und Herbst dagegen wird diese
Erhaltungstendenz unmerklich,
Im Jahre 1929 hatte ich den Vorschlag!) gemacht, es mögen die Monats-
werte der meteorologischen Elemente einer hinreichend großen Anzahl über die
ganze Erde verteilter Stationen bald nach Ablauf jedes Monats drahtlos ver-
breitet werden, damit an fortlaufend neuem Beobachtungsmaterial die Änderung
der Großwetterlage von Monat zu Monat studiert werden kann. Den äußeren
Anlaß für diese Anregung gab der ungewöhnlich strenge Winter 1928/29, der zu
einer eingehenden Untersuchung der großräumigen meteorologischen Zusammen-
hänge geradezu aufforderte,
Wohl wurden die meteorologischen Verhältnisse dieses Winters unmittelbar
darnach in verschiedenen Fachzeitschriften diskutiert; aber diese Betrachtungen
mußten sich auf einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt der Erdoberfläche,
vor allem auf Mittel- und Westeuropa und die angrenzenden Teile des Nord-
atlantischen Ozeans beschränken, da lediglich die Beobachtungswerte der damals
äblichen Wetterkarten zur Verfügung standen. Mit diesem bescheidenen Beob-
achtungsmaterial war es nicht gelungen, einen befriedigenden Einblick in die
Vorbedingungen zu vermitteln, aus welchen heraus sich die extremen Verhältnisse
des Winters 1928/29, insbesondere des Februars 1929 entwickelten. Auch mußte
damals darauf verzichtet werden, etwaige Zusammenhänge der Verhältnisse in
Europa mit den Erscheinungen auf dem übrigen Teil der Erdoberfläche aufzu-
decken. Bereits 1929 war ich auf Grund einer eben abgeschlossenen Untersuchung?)
über die Schwankungen der allgemeinen Zirkulation zur Ansicht gelangt, daß
solche exzessive, langandauernde und weit verbreitete Abweichungen wie die
des Winters 1928/29 sich mehr oder weniger in der Verteilung der meteoro-
logischen Elemente der ganzen Erdoberfläche oder wenigstens einer Halbkugel
widerspiegeln müssen,
Jetzt nach dem Erscheinen des Röseau Mondial für das Jahr 1929 ist es
möglich, diese Fragen, deren Untersuchung mir schon seit acht Jahren vorschwebt,
in Angriff zu nehmen. Diese Fragen lassen sich vielleicht so formulieren:
1. Läßt sich die Verteilung der Anomalie der meteorologischen Elemente
während der Monate des Winters 1928/29 auf der ganzen Erde oder auf einem
größeren Teile derselben in einen verständlichen Zusammenhang bringen? Läßt
sich dieses Bild mit der kurzen Formel: Abgeschwächte Zirkulation charakteri-
sieren? Auf welche Räume erstreckte sich eine solche Abschwächung der all-
gemeinen Zirkulation?
2. Welches waren die Vorbedingungen, die zur Entwicklung der exzessiven
Verhältnisse im Februar 1929 führten? Handelt es sich um eine allmähliche
Steigerung während des ganzen Winterhalbjahres, also während der Zeit, in
welcher in höheren Breiten die Ausstrahlung die Einstrahlung überwiegt? Läßt
sich aus der nachträglichen Kenntnis der Verteilung der meteorologischen Ele-
mente auf der ganzen Erde der Schluß ziehen, daß eine Voraussage des exzessiven
Februars mit einiger Wahrscheinlichkeit möglich gewesen wäre?
1) A. Wagner, Eine Anregung zur internationalen Förderung der langfristigen Wetterprognose,
Met. Zeitschr. 1929, 315. — 2) A. Wagner, Untersuchung der Schwankungen der allgemeinen Zirku-
Jation, Geogr. Annaler 1929, Heft 1.
Ann. d. Hydr. usw. 1937. Heit X.
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