Kleinere Mitteilungen.
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Auffassung aber nicht haltbar ist, geht einwandfrei aus den aerologischen Beob-
achtungen hervor, die in Abb. 6 zu einem Schnitt der aktuellen und äquipoten-
tiellen Temperatur senkrecht zur Front auf der Linie Kön—Hamburg—Berlin—
Swinemünde— Königsberg zusammengefaßt sind: Östlich von Berlin lagert ein
einheitlicher Luftkörper gleicher äquipotentieller Temperatur und mit einem
ganz schwachen Gefälle der aktuellen Temperatur von O nach W. Daran an
schließt sich eine mit größter Deutlichkeit erkennbare Frontalzone, im
Sinne von Raethjen!) als nach oben breiter werdende „Übergangszone“?)
gezeichnet, an, die — wie Raethjen®) bewiesen hat — stets der Sitz des
geschlossenen Nimbostratusgewölks ist, das vom Hamburger Wetterflugzeug z. B.
in 1800 m Höhe erreicht wurde. Weiter nach W hin erkennt man eine einheit-
lich aufgebaute feuchtindifferent und fast horizon talisentrop geschichtete
Kaltluftmasse. Nur am Boden liegen die Temperaturen in der Nähe der Front
ein wenig höher, sonst ist von einer oberen Warmluftschale nicht die Spur
zu entdecken, und die Zeichnung einer Okklusion ist deshalb nicht nur
ungerechtfertigt, sondern sie verwischt sogar den Tatbestand, indem
man dann ebensowenig eine Vorstellung von der vorhandenen Höhen-
strömung haben könnte wie kein ‚Anhalt über eine eventuelle Vertiefung
dieser Zyklone zu gewinnen wäre,
Was der aerologische Vertikalschnitt im Zusammenhang mit der Lage der
Front am Boden gemäß dem eindeutigen von Roediger*) in voller Klarheit
ausgesprochenen Gesetz der Parallelität zwischen Frontenlage und Höhen-
strömung erwarten läßt, nämlich eine südsüdöstliche Höhenströmung, bestätigt
natürlich der aerologische Horizontalschnitt, der für das Niveau der 500 mb-
Fläche in Abb. 4 wiedergegeben ist; die zugehörige unter genauer Beachtung
der Frontenlage und sämtlicher aerologischer Aufstiege vom Vor- und Nachtag
gezeichnete Karte der relativen Topographie ist in Abb. 3 reproduziert, sie weist
nur ganz geringe Abweichungen gegenüber der im Tägl. Wetterbericht schon am
gleichen Tage veröffentlichten Karte auf.
Bei der Lage des Dreimassenecks am Ostfuß der Alpen muß dort der
Temperaturgegensatz sein größtes Ausmaß aufweisen, also gerade an
der für die Entwicklung von Vb-Depressionen charakteristischen
Stelle*). Die erste Kaltluftstaffel ist über Norddeutschland am weitesten ost-
wärts vorgerückt, hat deshalb die Temperaturgegensätze hier am meisten
vermindert, während deren Ausprägung weiter südlich immer schärfer
wurde. Deutlich geht die Divergenz im Isothermenverlauf aus der Temperatur-
verteilung am 20, Juni, 14h, hervor (Abb. 2), und eine merkbare Vertiefung des
über Böhmen erst im allerersten Entwicklungsstadium befindlichen Tiefs ist daher
die Folge, das bis zum nächsten Vormittag — genau der Isopotentiale
552 Dekameter der Höhenkarte folgend (siehe die gestrichelte Linie in
Abb. 4) bis nach Jütland gelangt ist, und dessen Fallgebietszentrum nach weiteren
24 Stunden unter Beibehaltung des durch die Höhenströmung vor-
geschriebenen Weges bis zur nördlichen Nordsee gelangt ist, wobei der Wind
im Seebereich der ostfriesischen Inseln in den Abendstunden des 22. Juni vor-
übergehend bis zu schwerem Sturm auffrischt.
» Nicht nur die Vertiefung dieser Vb-Zyklone im Delta des Dreimassenecks
läßt die Höhenwetterkarte eindwandfrei erkennen, sie gibt darüber hinaus allein
erst Aufklärung, wo eigentlich das Druckwellental und das Niederschlagsgebiet
hergekommen sind, Wie man der Abb. 4 (wo die Zentren stärkster 24stündiger
Druckänderung angekreuzt sind) entnehmen kann, trat vom 17, zum 18. Juni ein
Zentrum stärksten Druckfalls (von etwa — 7 mb) bei den Färöern in Erscheinung,
das von dort zunächst genau in südlicher Richtung bis zum westlichen Kanal-
eingang wandert und dann über Frankreich ostwärts schwenkt, sich bei dieser
4) P. Raethjen: Die Aufgleitfront, ihr Gleichgewicht und ihre Umlagerung. Met. Zechr. 51, S. 161
and 212 (1934), — 2) Mit der Ursache des Fehlens von Diskontinuitäten in der Höhe befaßt sich der
Beitrag auf S. 367 dieses Heftes. — °) a. a. O., siehe vor allem S. 220, Abb, 7. — *) G. Roediger:
Bestimmung der Höhenströmung in 5—10 km nach der Verteilung der Luftkörper. Ann. d. Hydr. 61,
5. 338 (1933), — 5) R. Scherhag: Die Entstehung der Vb-Depressionen, Zweites Köppenheft der
Ann. d. Hydr., S. 66 (1936).