Scherhag, R.: Ein Grenzfall atmosphär. Steuerung: Die Bodenisobaren steuern ein Höhentief, 33
Anordnung des Druckverlaufs vermittelt, besser als der Druck selbst, dessen Schwankung mit der
Höhe wegen der Abnahme der Dichte verringert erscheint.
Die oberste Kurve zeigt den Verlauf der Höhenlage der 500 mb-Fläche über dem Jungfrau-
Massiv, wie man ihn aus den Höhenwetterkarten erhält. Für die übrigen Stationen wurden die Be-
obachtungen zu den drei Terminen und die durch die dreistündige Tendenz bestimmten Zwischen-
werte berücksichtigt.
Unsere Abbildung spricht für sich selbst. Je höher der Berg, um so mar-
kanter tritt der am Mittag des 12. beginnende steile Druckfall hervor, der zu-
gleich mit dem Temperatursturz einsetzt. Druck und Temperatur erreichen
fast zur gleichen Zeit am Morgen des 13. ihren Tiefstwert und steigen
dann zugleich wieder an. Es handelt sich um einen ausgeprägten Kalt-
lufttropfen, der vom 12. bis 14. Dezember 1935 über Mitteleuropa hinweg-
gezogen ist, der die stärkste Abkühlung in etwa 2000 bis 3000 m her vor-
rief und dessen vertikale Mächtigkeit im Zentrum weit mehr als 5000 m
betrug. Zum Rande hin war die Mächtigkeit geringer, seine Auswirkungen
reichten aber nordwärts noch etwa bis zum 54. Breitengrad, so daß auch West-
deutschland noch von stärkster Höhenabkühlung und in etwas schwächerem
Maße selbst Südengland noch davon betroffen wurden. Einige Wolkenmessungen
am 13. in Frankreich und Südengland (vgl. Fig. 6, Tafel 10) belegen den dort
herrschenden Höhensturm aus Nordost,
Die Zugrichtung des Kältegebiets und Höhentiefs vom 11. bis 14. Dezember 1985.
Bei der dargelegten Auswirkung dieses meteorologischen Phänomens ist es ins-
besondere für den Flugwetterdienst natürlich von größter Bedeutung, die Zug-
richtung eines solchen Höhentiefs vorher zu bestimmen. Dies ist tatsächlich
möglich, denn es ergibt sich das bemerkenswerte Resultat, daß das Höhentief
genau dem Verlauf der Bodenisobaren folgt und seine Geschwindigkeit
demausder Bodenwetterkartezuermittelnden Gradientwind entspricht.
Wir können im folgenden das Höhentief mit dem Kältegebiet gleichsetzen,
nachdem wir bewiesen haben, daß am Boden keine auffallenden Veränderungen
des Druckfeldes hervorgerufen werden. Dann geben uns die Bodenisobaren,
die in Fig. 3 gestrichelt eingezeichnet sind, schon näherungsweise die Zugrich-
tung des Höhenkältegebiets an. So verläuft die Isobare 1025 mb, die das Zen-
trum über den Karpaten schneidet, zunächst nach München, dann biegt sie
etwas nordwärts ab und wendet sich nach Nordfrankreich, Aus Fig. 5 ersieht
man, daß die durch das Zentrum des Kältegebiets laufende Isobare 1017 mb
etwa von der Nordostschweiz und etwas südlich von München herkommt. Wenn
der Kaltlufttropfen also abends bis nach München gelangt ist, muß er bis zum
nächsten Morgen Zentralfrankreich erreichen.
Auf Grund der Wetterkarten von den drei Terminen 8, 14 und 19 Uhr
wurde die genaue Zugrichtung und die Geschwindigkeit nach dem Gradientwind
bestimmt, indem als maßgebend für den Zug immer die Wetterkarte zum nächst-
liegenden Termin angesehen wurde. Man erhält dann die in Fig. 12 eingezeich-
nete, von den Karpaten über München nach Zentralfrankreich verlaufende
Bahn, und das eingezeichnete Kreuz zeigt, daß der für den 13. Dezember 8 Uhr
berechnete Ort von dem in der Höhenkarte angegebenen fast überhaupt nicht
abweicht. Berechnung des Zuges aus dem Bodendruckfeld und Be-
obachtung stimmen also innerhalb der Ungenauigkeitsgrenze voll-
ständig überein.
Man kann jetzt auch die weitere Zugrichtung bestimmen und ersieht aus
dem Verlauf der Bodenisobaren in Fig. 5, daß das Höhentief nach Südfrank-
reich wandern muß, was die bereits erwähnten Beobachtungen auf dem Mont
Ventoux bestätigen (vgl. Tabelle 1). Und ebenso kann man ermitteln, wo das
Höhentief hergekommen ist, und da weist Fig. 3 nach Südpolen, und die Um-
biegung der Bodenisobaren in Fig. 1 deutet auf einen Ursprungsort in Mittel-
rußland hin.
Nach dem Isobarenverlauf in den Arbeitskarten der Wetterdienstabteilung
der Deutschen Seewarte muß das Zentrum am 11. Dezember etwas nordöstlich
von Moskau gelegen haben, und Fig. 1 deutet damit in Übereinstimmung die
tiefsten Temperaturen über Westrußland an; man vergleiche z, B. die erhebliche