Ann. d. Hydr. usw., LXV. Jahrg. (1937), Heft VIII.
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Fragen der Großformen und der Herkunft des Tiefenwassers
im amerikanischen Mittelmeer.
Von Günter Dietrich, Berlin.
(Hierzu Tafeln 41 und 42 mit Abbildungen 1 bis 8.)
Drei ausgeprägte Hauptbecken beherrschen die Großformen im amerika-
nischen Mittelmeer, das Becken im Golf von Mexiko, das Yukatan-Becken mil
dem Cayman-Graben und das Karibische Becken. Alle sind untereinander und
gegen den Atlantischen Ozean verhältnismäßig stark abgeriepelt, Bei einer der-
artigen Abgeschlossenheit sind für die ozeanographischen Verhältnisse des
Tiefenwassers der einzelnen Becken stets zwei Fragen entscheidend. Wo hat
man den Durchlaß zu suchen, der für die Erneuerung des Tiefenwassers jedes
Beckens maßgebend ist und wie groß ist seine Satteltiefe?
[n der hydrographischen Bearbeitung des Karibischen Meeres auf Grund der
„Atlantis“-Beobachtungen im Frühjahr 1933!) und 19342) nimmt A. E. Parr*) zu
der Frage der Satteltiefen Stellung, indem er den Temperaturaufbau in den
größeren Tiefen heranzieht. Aber da er von der älteren Auffassung ausgeht,
daß die Tiefenlage des Minimums der Temperatur in situ in einem Becken der
Satteltiefe des Durchlasses zum Nachbarbecken entspricht, erhält er stets zu
große Satteltiefen; denn das Minimum wird durch Bewegungs- und Vermischungs-
vorgänge von oben herabgedrückt, also stets unterhalb der Satteltiefe liegen,
Für das Yukatan-Becken gibt er 2530 m als Satteltiefe an, für das Karibische
Becken 2090 m, während 0. Krümmel“) früher 1700 m nennt, Vielmehr muß man,
wie G. Wüst®) gezeigt hat, von den potentiellen Temperaturen ausgehen (beob-
achtete Temperaturen abzüglich des adiabatischen Effektes); denn die potentielle
Temperatur am Boden eines abgeschlossenen Beckens wird bestimmt durch die
potentielle Temperatur des Nachbarbeckens im Horizont der Satteltiefe.
Für den Golf von Mexiko ist die Frage der Erneuerung des Tiefenwassers auf
Grund der Tiefenkarte sehr einfach zu entscheiden, Die Floridastraße stellt mit
einer Satteltiefe von rund 600 m einen verhältnismäßig hohen Abschluß dar. Eine
Erneuerung kann nur vom Yukatan-Becken her durch die Yukatan-Straße erfolgen.
Interessanter sind dagegen die Verhältnisse im Yukatan- und Karibischen
Becken. Die Frage nach der Erneuerung des Tiefenwassers ist hier insofern
schwierig zu beantworten, als die neuere Methode mit Benutzung der potentiellen
Temperaturen zum Teil in diesem Falle versagt, zum mindesten keine eindeutige
Entscheidung zuläßt, Beide Becken haben im Bodenwasser nämlich nahezu die
gleichen potentiellen Temperaturen, das Yukatan-Becken 383.79° bis 3.81°, das
Karibische Becken 3.81° bis 3.83°. Die Unterschiede liegen noch an der instrumen-
tellen Fehlergrenze. Bevor die Verbindungen mit dem Atlantischen Ozean be-
trachtet werden, ist daher die entscheidende Frage zu lösen: Erfüllt das Kari-
bische und das Yukatan-Becken ein gleichartiges Tiefenwasser, das durch einen
einzigen Durchlaß erneuert wird und über die Jamaika-Schwelle von einem
Becken in das andere treten kann, oder hat jedes Becken seine eigene Verbin-
dung mit dem Atlantischen Ozean? Dieses erste Problem läßt sich entscheiden,
wenn man die Verhältnisse an der Jamaika-Schwelle, dem trennenden Rücken
zwischen beiden Becken näher untersucht.
Wir legen der Betrachtung einen Schnitt zugrunde, der vom östlichen
Cayman-Graben über die Jamaika-Schwelle zwischen Jamaika und Haiti in das
NW-Karibische Becken verläuft,
Der Schnitt der potentiellen Temperatur (Abb. 1) zeigt, daß im Cayman-
Graben das Bodenwasser 0.02° bis 0.03° kälter ist als im Karibischen Becken.
)—2) Bull. hydrographiqne pour l’annee 1933, 1934, Kopenhagen 1934—1935. — 3 A. E, Parr:
A contribution to the hydrography of the Caribbean and Cayman Seas. Bull. of the Bingham Oceanogr.
Coll. Vol, V, Art, 4, New Haven 1937. — %) O0, Krümmel: Handbuch der Ozeanographie, Bd. I.
Stuttgart 1907, — 5) G. Wüst: Das Bodenwasser und die Gliederung‘ der Atlantischen Tiefsee, Wise.
Ergebn. d. Deutschen Atlantischen Expedition. Bd, VI, I. Teil, Berlin 1933.
Ann. d. Hrdr, usw. 1937. Heft UT.