Kleinere Mitteilungen.
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und ob auch die Bodenwetterkarte allein Anhaltspunkte dafür liefern kann,
wann und wo die Lage kritisch zu werden droht. Beides scheint durchaus der
Fall zu sein, und folgende Punkte lassen sich heraussteilen:
i, Das Druckfallgebiet entwickelt sich am 6. Mai frühmorgens in der mitt-
Jeren Nordsee, am 1. Juni nachmittags östlich der Shetlandsinseln, beide Male an
Stellen, wo die Bodenisobaren aus der Nordsüdrichtung in eine mehr west-
östliche Richtung umbiegen und zugleich ihren Abstand vergrößern.
Hier wird also die spezielle Gestaltung des Höhendruckfeldes, wie sie das Schema
der Abbildung zeigt, vom Boden her begünstigt.
2. Schon am Boden ist in beiden Fällen durch zwei bis drei besonders eng-
liegende, Nordsüd laufende Isobaren ein „Stromstrich“ arktischer Luft an-
gedeutet, Östlich von dessen Südende das Druckfallgebiet auftaucht. Unter
Beachtung der Luftherkunft und bodennahen Temperaturen liegt hierin wenig-
stens ein Hinweis auf die troposphärische Kaltluftz unge,
3. Die 24stündigen Druckänderungen vom 6. Mai und 1. Juni 1937 mit
den Steiggebietskernen von 15 mb Östlich bzw. südöstlich Island deuten ebenfalls
auf die Kaltluftaktivierung an ihrer Ostflanke. Der Herd des folgenden Druck-
falls ist ihnen in ganz ähnlicher Weise im Südosten zugeordnet.
4. In beiden Fällen ist das relativ warme Hoch im S bzw. SW der
Britischen Inseln kräftig entwickelt. Besonders auffällig ist aber die Zone
stürmischer Südost- bis Südwinde, die über dem Atlantik liegt und bis
nach Island bzw. Südgrönland hinaufweist. Diese Sturmzone mit ent-
sprechend scharfem Warmluftvorstoß bis Grönland hinauf ist mit als
typisches Vorzeichen für Nordweststurmausbildung in der Nordsee
zu werten, Es muß dann nämlich Warmluftadvektion in der Höhe bereits
auf die nördlichen Hochdruckkeile der vorerwähnten Antizyklonen übergreifen,
wodurch das NW-Höhensturmgebiet (siehe Textabbildung) wesentlich mit-
begründet wird,
Der glückliche Umstand, daß in Aldergrove (Nordirland) wieder regelmäßiger
Aufstiege ausgeführt werden, liefert für die Wirksamkeit dieser Warmluftadvektion
im W eine gute Stütze: Die untere Troposphärenhälfte erwärmte sich dort vom
5, bis 6, Mai um nahezu 8°C, ein Betrag, der aus den bodennahen Änderungen
(ohne Berücksichtigung der Massenherkunft) nicht annähernd zu schließen wäre.
(Im Junifalle hätte es eines Aufstieges von West-Island bedurft.)
Es hat den Anschein, daß der heftige und hoch nach N gehende Warmluft-
vorstoß zur Mobilisierung der letzten und tiefsttemperierten Reserve von
Arktikluft wesentlich beiträgt, und zwar durch eine Versteilung und Rechts-
drehung des Höhendruckgefälles (vgl. die Änderung über England in den Höhen-
wetterkarten vom 1. und 2. Juni).
Bei der Erhaltung bzw. Lenkung der Kaltluftzunge wirkt wahrscheinlich
das Bett der Nordsee zwischen dem norwegischen Gebirge und dem schottischen
Berglande mit, so daß gerade gegen die Deutsche Bucht hin as Stoß erfolgt.
Daher erscheint der Gebietsstreifen zwischen nordöstlicher Nordsee und Deutscher
Bucht für diesen Sturmtypus geographisch prädestiniert,
Für das Ausmaß der Gradientverschärfung am Boden ist der — meist
leichte bis mäßige — Druckanstieg, der dem Druckfallgebiet im SW
koordiniert ist, bedeutungsvoll — im Gegensatz zu dem von NW nach-
folgenden, eigentlichen Steiggebiet der „Druckwelle“, welches gradient-
abschwächend wirkt. Das ersterwähnte (diffuse, nicht zentrierte) Steigen des
Bodendrucks läßt sich aus der Verschärfung des Höhen-Druckgradienten im W
der Kältezunge erklären: Diese Gradientverstärkung verursacht eine zum tiefen
Druck gerichtete Strömungskomponente, wodurch sich ein (geringer) oberer Massen-
zufluß und dementsprechender Bodendruckanstieg ergeben kann. Auch hier spielte
also der atlantische Warmluftvorstoß „fernwirkend“ seine Rolle (vgl. unter 4.)
Das gezeigte Schema der Störungsbildung (vgl. auch „relative Topographie“
und Druckänderung im Bericht vom 2, Juni) erinnert im übrigen sehr an die
Exnersche Riegeltheorie der Zyklonen, wenn auch der hier gegebene Er-
klärungsversuch ein anderer ist. —