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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Januar 1937,
1. Der Begriff der Steuerung.
Den Begriff der Steuerung wandte erstmalig H. v. Ficker!) auf meteoro-
logische Vorgänge an, indem er?) davon spricht, daß „die Bewegung der unteren
Kaltluftmassen erzwungen und gesteuert wurde durch eine obere Druckwelle“.
Die „Frankfurter Schule“ präzisierte den Terminus „Steuerung“ auf den von
Stüve erörterten und von R. Mügge®?) näher erläuterten Spezialfall, daß das
obere Druckgefälle den Zug der isallobarischen Gebilde bestimme.
In diesem Sinne ist die Steuerung ein genau abgegrenzter meteorologischer
Begriff geworden, dessen Realität wohl keinem Zweifel mehr unterliegt, seitdem
es sich nicht mehr um einige in wissenschaftlichen Arbeiten ausgewählte Ideal-
fälle handelt, die den Steuerungseinfluß beweisen, sondern auf Grund der im
„Täglichen Wetterbericht des Deutschen Reichswetterdienstes“*) veröffentlichten
Höhenwetterkarten möglich ist, die steuernde Wirkung der oberen Druckverteilung
tagtäglich zu verfolgen und in der Wettervorhersage mit großem Nutzen an-
zuwenden. Wir wissen jetzt, daß die Regeln, die z. B. Ekholm®) über die um
Hochdruckgebiete erfolgende antizyklonale Umkreisung der Druckwellen oder
Hesselberg‘) für die Übereinstimmung des Zirrenzuges im Zentrum einer
Zyklone mit der Fortpflanzungsrichtung des Tiefs aufgestellt haben, auf die
fundamentale Regel zurückgehen, daß die Höhenisobaren die Zugrichtung
der isallobarischen Gebilde und diejenige der Depressionen in weit-
gehendem Maße bestimmen,
Diese Regel ist auf alle jungen und im Höhendruckfeld noch kaum erkenn-
bare Depressionen fast ohne Einschränkung anwendbar, trifft jedoch nicht
mehr für völlig okkludierte Tiefdruckgebiete zu, was im Wetterdienst
stets sehr zu beachten ist, wenn man Fehlschlüsse vermeiden will. Zwischen
diesen beiden Grenzfällen existieren natürlich alle möglichen Übergänge, denen
wir uns aber erst im letzten Teil dieser Untersuchung zuwenden werden. Zu-
nächst wollen wir den entgegengesetzten Fall betrachten, daß gerade die
Bodenisobaren ein Höhentief steuern.
2. Die Steuerung des Höhentiefs und Kältezentrums vom 11. bis 13. Dezember 1935,
Ein solches Beispiel, wo gerade die untere Druckverteilung steuerte und
also die Zugrichtung eines Höhentiefs vorhersehen ließ, erlebten wir zu Beginn
der zweiten Dezemberdekade 1935. Es handelte sich dabei um ein abgeschlossenes
Kältegebiet in der Höhe von solcher Intensität, daß es von einer ganz aus-
geprägten Tiefdruckmulde in der freien Atmosphäre begleitet und rings von
stürmischen Winden umgeben war. Und dabei ließ die Bodenwetterkarte
nicht das geringste von diesen abnormen Vorgängen in der freien Atmosphäre
ahnen.
Die Luftdruckverteilung am Erdboden am 12, Dezember 8 Uhr. In Fig. 2 (auf
Tafel 10) ist der uns interessierende Ausschnitt aus der im „Täglichen Wetter-
bericht des Deutschen Reichswetterdienstes“?) veröffentlichten Wetterkarte vom
12. Dezember 1935, 8 Uhr morgens, dargestellt. Ein Hochdruckgebiet über dem
Nord- und Ostseegebiet bestimmt in Verbindung mit einer Mittelmeerzyklone
das Wetter Mitteleuropas. Die Isobaren verlaufen fast genau ostwestlich, die
Temperaturen nehmen von Frankreich bis nach Polen allmählich von Werten
etwas über dem Gefrierpunkt bis zu leichtem Frost ab, in Südpolen kommt es
zu Schneefällen, die aber nur ganz vereinzelt Niederschlagsmengen von mehr
als 1 mm in 24 Stunden lieferten. Von irgendeiner Front oder Konvergenz-
linie ist am Boden nichts zu erkennen. Wir wollen jetzt sehen, in welchem
Maße die gleichzeitige Druckverteilung in der Höhe verschieden war.
1y H. v. Ficker, Der Sturm in Norddeutschland am 4. Juli 1928. Sitz, Ber, Preuß, Akad,
d. Wiss. Berlin, Phys.-Math. K]. 1929, S. 290. — 23) a.a.O. 8.325. — 3 R. Mügge, Synoptische
Betrachtungen. Meteor. Zeitschr. 1931, S. 1. — *%) Herausgegeben v. d, Deutschen Seewarte, —
5) N. Ekholm, Über d. unperiodischen Luftdruckschwankungen u. einige damit zusammenhängende
Erscheinungen, Meteor. Zeitschr. 1907; 8.1, 102, 145. — °% Th. Hesselberg, Die Luftbewegung
im Cirrusniveau. Veröff, d. Geophys. Instituts Leipzig 1913, Serie II], Heft 2. — 7) Herausgegeben
y. d. Deutschen Seewarte. Jahrgang 60, Nr. 346.