Regula, H.: Bodenwindbeobachtungen und Höhenwindmessungen auf M,S. „Schwabenland“. 307
Bodenwindbeobachtungen und Höhenwindmessungen
auf M. $. „Schwabenland“.
Von H, Regula.
Angesichts des sich rasch entwickelnden deutschen Ozeanluftverkehrs nach
Nord- und Südamerika und des wachsenden Interesses der Schiffahrt am Ozean-
wetterdienst erhält die Frage der Windmessung auf See erhöhte Bedeutung. In
letzter Zeit wurde von Kuhlbrodt die Bearbeitung des umfangreichen Materials
der „Meteor“-Expedition abgeschlossen!), Die Nordatlantik-Versuchsreise des
Flugzeughilfsschiffes „Schwabenland“ im Sommer 1936 hat weiteres Material für
die Behandlung dieser Frage gebracht. Auf Fahrten im Raum zwischen Lissabon
und New York wurden im September und Oktober fortlaufend Windrichtung
und -geschwindigkeit an Bord der „Schwabenland“ registriert und außerdem
30 Höhenwindmessungen auf See ausgeführt.
Windbeobachtungen in der Nähe der Meeresoberfläche.
Sowohl bei der Schätzung wie bei der Registrierung des Windes auf Schiffen
können eine Reihe von Fehlern auftreten, die bei der Schätzung hauptsächlich
auf subjektiven Fehlern beruhen, bei der Registrierung aber daher rühren, daß
das Schiff ein erhebliches Strömungshindernis bildet. Für die Anbringung des
Kontaktanemometers (Registrierung in der Wetterwarte) wurde auf der „Schwaben-
land“ wie auf dem „Meteor“ die Mastspitze gewählt (etwa 35 m Seehöhe), da in
Deckshöhe die Strömung durch Schiffskörper bzw. Autbauten zu stark verfälscht
wird. Indessen werden durch die Anbringung an der Mastspitze zwei andere
Fehler verstärkt:
1 Das Anemometer erhält durch das Schlingern des Schiffes zusätzliche
Bewegungen gegen die Luft. Die Vergrößerung der Geschwindigkeits-
anzeige wird von der Amplitude und Frequenz der Mastbewegung sowie
von der Trägheit des Anemometers abhängen. Experimentelle Unter-
suchungen über den Betrag der Geschwindigkeitszunahme werden zur
Zeit auf der Deutschen Seewarte vorbereitet,
Wegen der Reibung der Luft an der Wasseroberfläche wird die Wind-
geschwindigkeit in der Masthöhe im allgemeinen etwas größer sein, als
anmittelbar über dem Meeresspiegel. Den genauen Betrag dieser Differenz
werden aber nur Registrierungen in den verschiedenen Höhen eines fest-
stehenden Mastes — etwa zur Flutzeit im Wattenmeer — liefern können,
da von einem Schiff aus keine einwandfreie Geschwindigkeitsregistrierung
in der Nähe der Oberfläche möglich ist.
Die mechanisch registrierende Windfahne war auf der „Schwabenland“ ober-
halb des Peilkompaßdecks in etwa 15 m Seehöhe angebracht, so daß Windrichtung
und -geschwindigkeit in verschiedenen Höhen gemessen wurden. Zu beachten
ist ferner, daß bei der Windregistrierung im Gegensatz zur Schätzung der
relative Wind gemessen wird und hieraus durch Abzug des Fahrtwindes der
wahre Wind abgeleitet werden muß. Dabei ist die Fahrtgeschwindigkeit des
Schiffes über Grund wegen der veränderlichen Strömungsverhältnisse nicht immer
genau bekannt, zumal wenn wegen anhaltend geschlossener Wolkendecke oder
Nebel die astronomische Ortsbestimmung längere Zeit versagt.
Nach obigen Ausführungen wird es verständlich sein, daß bei dem Vergleich
von Schätzung und Registrierung oft merkliche Unterschiede zutage treten. Die
registrierten Werte sind dabei keineswegs immer als der wahre Wind an der
Oberfläche anzusprechen.
Beispiel: Als auf dem Wege von den Azoren nach New York auf etwa 41° N-Br. 65° W-Lg.
die Ausläuter des Labradorstroms passiert wurden, herrschte an der Oberfläche Wiodstille, das Anemo-
meter an der Mastspitze zeigte dagegen nach Abzug des Fahrtwindes 6 m/sec. In 20m Höhe
wurden am Mast mit einem Handanemometer 3 bis 4 m/sec festgestellt, bei einer Lufttemperatur von
21.0°, während die Wassertemperatur 16.3° und die Lufttemperatur in Deckshöbe 19.0° betrug (Kalt-
luftkiessen).
4) Kuhlbrodt: Vergleich geschätzter Windstärken mit gemessenen Windgeschwindigkeiten auf
See. Ann. d. Hydr. II. Köppenheft.
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