Müller, H.: Untersuchungen zur Fehlvorhersage vom 19, Oktober 1936. 257
der Störung Kaltluft einbrechen würde, stand außer Zweifel. Damit mußte in
der Höhe Druckfall erwartet werden (darauf deutete schon die starke Änderung
in Duxford hin), der sich zunächst über England und später auch weiter südlich
bemerkbar machen mußte, Daraus resultiert über Deutschland eine südwestliche,
über England eine nordwestliche Strömung, die das Tief steuerte. Die Nordwest-
strömung mußte weiter gefestigt werden durch den folgenden Druckanstieg
infolge neuer Warmluftzufuhr. Diese neue Warmluft kam um das nach Island
vorgeschobene Hoch herum mit der nordwestlichen Strömung. Das dazugehörige
Druckfallgebiet am Boden ist auf der 3-std, Tendenzkarte der Seewarte deutlich
vorhanden.
Damit ist erklärt worden, wie sich aus der großräumigen Strömungs- und
Luftmassenverteilung die Drehung der steuernden Höhenströmung herleiten und
vorhersagen ließ. Auf Grund der zu erwartenden nordwestlichen Strömung
mußte dann eine deutlich südöstliche Zugrichtung erwartet werden, bei welcher
Richtung Sturm nicht zu erwarten war,
Die Berücksichtigung dieser Höhenwindänderung ist notwendig und nützlich.
In den meisten Fällen lassen sich die Änderungen durch die zu erwartenden
Luftmassenänderungen erfassen. Dies soll an anderen Beispielen, die besonders
deutlich sind, noch gezeigt werden. Der praktische Nutzen hat sich im Wetter-
dienst schon oft erwiesen. Die Aufgabe ist jetzt, dies in ein praktisch schnell
verwendbares System zu bringen. Man muß sich dabei jedoch von vornherein
klar sein, daß sich nicht alle Strömungsänderungen durch diese Luftmassen-
änderungen erklären lassen (ev. Stratosphäre oder Änderungen über Meßbereich),
doch ist dieser Anteil so gering, daß man praktisch mit der gegebenen Erklärung
gut auskommt.
Die wissenschaftlichen Grundlagen der Baurschen Zehntage-
Vorhersagen”.
Von G, Pogade, Hamburg, Deutsche Seewarte,
Zusammenfassung: Die vorliegende Arbeit bildet eine Zusammenfassung der über dieses
Thema erschienenen Einzelbeiträge, die in der Hauptsache aus der Feder Prof. Dr. F. Baurs, Leiters
der Forschungsstelle für langfristige Witterungsvorhersage, Bad Homburg v. d. Höhe,
stammen,
Statistik und Synoptik bilden die Grundlagen dieser Vorhersagen. Sie stützen sich nicht
nur auf eine „Methode“, sondern es werden alle einschlägigen Wege und Erkenntnisse herangezogen.
Außer den Bodenbeobachtungen, die statistisch und synoptisch bearbeitet werden, hat die Höhen-
wetterlage, deren Darstellung durch die jetzt täglich vorliegenden Flugzeug-, Radio-Sonden- und
Drachen-Aufstiege möglich ist, große Bedeutung für die Zehntage- Vorhersagen erlangt.
Seit mehreren Jahren werden während der Sommermonate durch den Rund-
funk und durch die Presse Zehntage-Vorhersagen veröffentlicht, die von der
Forschungsstelle für langfristige Witterungsvorhersage des Reichs-
wetterdienstes in Bad Homburg v. d. Höhe ausgegeben werden. Es handelt sich
hierbei um Vorhersagen auf streng wissenschaftlicher Grundlage, und da in der
deutschen meteorologischen Fachliteratur bisher keine Abhandlung erschienen
ist, die, zusammenfassend, die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Zehntage-
Vorhersagen behandelt, soll im folgenden eine Zusammenfassung der zu dieser
Frage erschienenen Einzelbeiträge gegeben werden.
Den Ausführungen, die sich mit den Zehntage-Vorhersagen befassen, sei ein
allgemeiner Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen der Langfrist-
Vorhersagen vorangestellt.
Unter Langfrist-Vorhersagen sind in diesem Zusammenhange alle Vorher-
sagen für mehr als 3 Tage, also Wochen-, Monats-, Vierteljahrs- und Jahres-
Vorhersagen zu verstehen. Dabei erscheint es angebracht, nicht von einer
Wettervorhersage, sondern von einer Witterung svorhersage zu sprechen;
denn bei Langfrist-Vorhersagen kann es sich nicht um die Vorhersage des
1) Auszug aus einem Vortrag, der am 12. Februar 1937 im Geophysikalischen Kolloquium der
Universität Hamburg gehalten wurde,
Ann. d. Hydr. usw. 1937, Heft VI.