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Annalen der Hydrographie und Maritimer Meteorologie, Juni 1937.
„zu viel“, Man lehnte daher alle weiteren Säkularuntersuchungen entweder
rundweg ab, oder empfand jede Mitteilung solcher Ergebnisse als wertlosen
Ballast enger Fachzeitschriften, „Es scheint“ — so hörte man häufig von vor-
sichtiger Seite her auch sagen — „man müsse erst mehrere Brücknersche
Säkularperioden, während welcher exakt beobachtet wird, passieren lassen, ehe
man ein endgültiges Urteil über sie wird fällen können“.
Diese negative Auffassung hat sich aber glücklicherweise als nicht zu Recht
bestehend erwiesen. Es gelingt zwar noch immer nicht, eine vollständige Lösung
des Säkularproblems zu erbringen, wohl aber das Großteil seiner Erscheinungen
als Wirkung eines einzigen bis heute gänzlich unbeachtet gebliebenen all-
gemeinen Vorganges verständlich zu machen.
Es ist dies die säkulare Variation des mittleren Turbulenz-Aus-
tausch- oder Scheinreibungszustandes der Atmosphäre.
Aus dem Vergleiche längstmöglicher Reihen von Windbeobachtungen in der
Niederung und im Hochgebirge kann man sie deutlich erkennen, denn es wurden
in beiden Niveaus sehr intensive,
zueinander invers verlaufende viel-
jährige Änderungen der mittleren
Windgeschwindigkeitnachgewiesen.
Für sechs vielleicht am meisten
interessierende, im übrigen beliebig
herausgegriffene mitteleuropäische
Stationen der Niederung und für
zwei des Hochgebirges sind im
Folgenden (an Stelle vollständiger
Diagramme) die von bloßer Zu-
Fallsstreuung hochgradig befreiten
Werte der mittleren Windgeschwin-
digkeit in m/sec für die letzten drei Säkular-Extreme angegeben. Sie sind an-
genähert bei 1895, 1910 und 1925 gelegen und beweisen, obwohl ursprünglich
nur aus subjektiven Windschätzungen nach Beaufort stammend, in den auf-
fallenden Unterschieden übereinstimmend die Tatsache der säkularen Variation,
(Zu bemerken ist zu diesem kurzen Auszuge nocb, daß sich die mittlere
Windgeschwindigkeit der Niederung seit dem letzten säkularen Minimum im
Gegensatz zum Hochgebirge schon um ein bedeutendes gehoben hat. Sie dürfte
bei etwa 1940 wieder ihr säkulares Maximum erreichen, ähnlich wie auch für
1880 ein solches in mehreren Stationen schon nachgewiesen werden konnte.)
Am auffallendsten erscheint die säkulare Variation in der äußersten Kolumne
rechts, dem Anstiege der Kraft des Windes, (Dem Quadrate der Geschwin-
digkeit proportional ist der Druck, dem Kubus sogar proportional ist die vom
Winde geleistete Arbeit zu setzen.)
Bei etwas geringerem Genauigkeitsgrade der Windschätzungen läßt sich der
säkulare Gang seiner Geschwindigkeit und seine Inversion oben und unten auch
nachweisen durch bloße Auszählung der „Tage mit Sturm“.
So fand man z. B, in den drei österreichischen Stationen Wien, Obir und
Sonnblick, daß während des säkularen Minimums in Wien nur etwa 10 Sturm-
tage im Jahr, im 2 km-Niveau davon aber 80 und in jenem von 3 km gar bis
150 gezählt wurden, während zur Zeit des säkularen Windmaximums in der
Niederung Wien mit etwa 20 Sturmtagen im Jahr der entsprechenden Sturm-
tagedichte am Obir schon fast gleichkommt und selbst von jenen am Sonnblick
trotz dessen großen Höhe und freien Lage nur mit dem dreifachen Betrage
übertroffen wird.
Ganz Analoges nur Umgekehrtes zeigt sich auch in der jährlichen Häufigkeit
von Windstillen. Etwa zwei- bis dreimal so viele davon bestehen in den Zeiten
des säkularen Minimums mittlerer Windgeschwindigkeit als während des gegen-
teiligen Extremes,
So wäre die Tatsache der säkularen Windvariation allein in der Niederung
als reell bestehend schon ausreichend gesichert gewesen, Sie hätte aber dennoch
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