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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1937.
I. Zusammenfassung,
In der vorstehend entwickelten tensoriellen Theorie der Turbulenz wurde
gezeigt, daß die vollständige Beschreibung der Turbulenz an Stelle des einen
Austauschkoeffizienten der skalaren Theorie sechs Turbulenzkoeffizienten 7ıx = %x;
(j, k = 1, 2, 3) erfordert, die die Komponenten eines symmetrischen Tensors (2. Stufe)
darstellen („Austauschtensor“). Bei der üblichen Koordinatenorientierung (x, = x
und x; = »y horizontal, x; = zZ vertikal) ist die Komponente %;, mit dem Wilh,
Schmidtschen Austauschkoeffizienten zu identifizieren. Die Komponenten %xx
und %yy sind aber von der Größenordnung der „Makrotarbulenzkoeffizienten“,
ohne jedoch mit denselben identisch zu sein, und sie können wegen ihrer hohen
Größenordnung bei einer vollständigen Beschreibung der Turbulenz nicht ver-
nachlässigt werden, abgesehen von gewissen idealisierten Spezialfällen (alleinige
z-Abhängigkeit aller Größen), Die gemischten Komponenten xy, = %yxı Yes = Yaxı
Yyz = %zy des Austauschtensors hängen von der Orientierung der Hauptachsen
des den Austauschtensor repräsentierenden Austauschellipsoids ab; letzteres er-
weist sich als fast vertikal stehend, indem die Winkel zwischen der großen
Hauptachse und der Vertikalen bzw. zwischen den kleinen Hauptachsen und
der Horizontalebene von der Größenordnung der Neigung der äquidensen
Flächen sind,
Die tensorielle Theorie der Turbulenz ergibt den Austauschstrom (Turbulenz-
stromdichte) als lineare Vektorfunktion des Gradienten der Austauscheigenschaft
in Analogie zur Wärmeleitung in anisotropen Substanzen (Gl. 18); sie bestätigt
ferner die von Exner gefundene Abhängigkeit des Schmidtschen Austausch-
koeffizienten 2 vom vertikalen Temperaturgradienten (Gl. 44). Die Differential-
gleichung des Austausches (Gl, 58) und die Reibungsterme (Gl. 62) der hydro-
dynamischen Bewegungsgleichungen enthalten bei Verwendung des x, y, z-Koor-
dinatensystems alle sechs Turbulenzkoeffizienten, Durch Transformation auf ein
Hauptachsensystem kann zwar erreicht werden, daß nur die drei Hauptwerte (73)
des Austauschtensors auftreten, doch ist diese Transformation deshalb immer nur
für einen Punkt des Strömungsfeldes möglich (wenn man Kartesische Koordinaten
beibehalten und nicht zu krummlinigen Koordinaten übergehen will), weil die
Austauschellipsoide im Stromfeld nach den verschiedenen Richtungen „umorien-
Mert“ sein können, d.h. also, daß sie keine Parallelität der Hauptachsen aufzu-
weisen brauchen, wobei noch Änderungen der Achsenlängen unabhängig davon
hinzutreten können. Die Berücksichtigung dieser Umorientierung durch ver-
schiedene Annahmen über die Divergenz des Vektors %;, (J = x, y,z; Gl. 86 und 87)
erklärt die zwei verschiedenen Formen der Reibungsterme nach Pranmdtl und
Taylor, die sich als zwei Spezialfälle der tensoriellen Theorie ergeben,
Einige der hier erzielten Ergebnisse sind in anderer Ableitung bereits in
meiner 1932 erschienenen „Allgemeinen Theorie der Turbulenzreibung und des
Austausches“ (16) enthalten, die inzwischen durch H, Lettau (19) eine instruktive
Anwendung auf die „Makroturbulenz“ erfahren hat, Es ist nun die Bemerkung
wichtig, daß die von Lettau ermittelten n,<- bzw. 7,,-Werte (A, bzw. A, in seiner
Bezeichnungsweise) keineswegs mit den 17x bzw. #y,- Wertungen in den Gleichungen
(20) zu identifizieren sind, denn unsere %,,- bzw. %,y,-Komponenten, obwohl von
der Größenordnung der Lettauschen A; bzw. A, sind Komponenten des Austausch-
tensors der wahren Turbulenz (Mikroturbulenz)} und nicht der als Makroturbulenz
aufgefaßten zyklonalen und antizyklonalen Luftmassentransporte, Die Gleichungen
(20) stellen also keine Zusammenfassung von Mikro- und Makroturbulenzstrom
dar, sondern sie ergeben die reinen Mikroturbulenzstromkomponenten. Denn
wäre z. B. T, die x-Makroturbulenzstromkomponente, so müßte sie etwa das
10%.fache der T,-Komponente betragen. In Wirklichkeit ist aber magn T,
<magn T,, denn N 5 z
E &
Uxx dx + ray TU xz I
ist das skalare Produkt der beiden Vektoren 7x; (j = x, y,z) und grad eg, die bei
der fast vertikalen Stellung des Austauschellipsoids einen Winkel von nahezu x/2
bilden (zo), weshalb größenordnungsmäßige Übereinstimmung von T,, Ty und T;