Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Januar 1937.
Noch einem weiteren Punkte möge hier gleich entgegengetreten werden, um
Mißverständnisse auszuschließen. Die in Abb. 2 und 12 eingezeichneten
Pfeile sind durchaus nicht mit „Strompfeilen“ gleichzusetzen. Sie
sollen vielmehr rein qualitativ das Vordringen eines Wasserkörpers angeben,
Über die dabei im einzelnen auftretenden Strömungen, wann und wie die Wasser-
massen dorthin gelangt sind, ob zur Zeit der Untersuchung vielleicht überhaupt
keine oder sogar rückläufige Strömungen vorhanden sind, darüber können und
sollen sie uns nicht mehr als ein ganz rohes Bild vermitteln (12, 13). Die Klärung
der Strömungsvorgänge wird immer erst in zweiter Linie Aufgabe einer sinh-
gemäßen Eingliederung der sich dem Gesamtzirkulationsschema harmonisch unter-
ordnenden Teilerscheinungen sein.
Betrachten wir nun die auf der Karte eingezeichneten Einzelergebnisse.
1. Als das Untersuchungsgebiet beherrschende Erscheinung zieht sich durch
die Karte in diagonaler Richtung die das ozeanische Wasser verkörpernde
„Linie maximalen Salzgehaltes“ hindurch, Von ihr zweigen während ihres
schwach gewellten Verlaufes in nordöstlicher Richtung drei Seitenäste ab, zwei in
westlicher und einer in östlicher Richtung, Diese drei Seitenäste bilden mit den
entsprechenden Gegenzungen weiter unten zu behandelnde typische Erscheinungen
der Untersuchungsfahrt.
2, Der nördlichste in westlicher Richtung vordringende Ast bildet mit dem
etwas weiter südlich von ihm in entgegengesetzter Richtung vordringenden
Küstenwasser eine mit „W“ bezeichnete wirbelartige Durchdringung zweier Wasser-
körper. (Lage etwa: 52° 45’ N-Br., 2° 20’ O-Lg.) Wir wählen hierfür die Be-
zeichnung: „NW-Hoofden-Wirbel“. Es scheint sich hier um die wirbelförmige
Auflösung der letzten Ausläufer der nach G. Bönecke (u) in breiter Front an
der schottisch-englischen Küste nach Süden setzenden Wassermassen zu handeln,
Daß dieser Befund nichts Einzigartiges und Neues darstellt, geht aus den Unter-
suchungen von P. M. van Riel (1ıs) hervor, der bei einer Bearbeitung der monat-
lichen Salzgehaltsmittelwerte in den Hoofden bereits die gleiche Erscheinung
gefunden hat.
3. Ebenso deutlich geht aus der Bearbeitung von van Riel die nächste der
hier zu besprechenden Erscheinungen hervor, das zungenförmig auf etwa
51° 30’ N-Br., 1° 40’ O-Lg. nach Nordost vordringende Themsewasser mit dem
als Gegenkomponente zu betrachtenden zweiten in entgegengesetzter Richtung
vorstoßenden Ast ozeanischen salzreichen Wassers, Wir wählen hierfür die Be-
zeichnung „Themsezunge mit Gegenzunge“
4. Als weitere Besonderheit tritt uns in dem leider nur schwach mit Stationen
belegten Gebiet des Kanals eine besondere Art des Küstenwassers auf 50° 10’ N-Br.,
1° O-Lg. entgegen, die jedoch nicht mit dem direkten Küstenwasser der Station 41
identisch ist. Wir nennen es „Sekundäres Kanalküstenwasser“,
5. Ein anderer deutlich als Küstenwasser erkennbarer Wasserkörper ist Kap
Gris Nez vorgelagert. (Lage etwa: 50° 55’ N-Br., 1° 35’ O-Lg.) Er sei als „Kap
Gris Nez-Küstenwasser“ bezeichnet,
6. Im Anschluß an das vorherige Gebiet in nordöstlicher Richtung treffen
wir auf einen weiteren durch seine eigenartigen Eigenschaften sich deutlich aus
seiner Umgebung heraushebenden Wasserkörper, der sich wohl am treffendsten
mit dem Ausdruck „Biologisches Altwasser*“ charakterisieren läßt,
7. In weiterer Verfolgung unseres Weges nach Nordosten kommen wir nun
in ein ausgedehntes Gebiet, welches der Rhein-Maas-Mündung vorgelagert ist
und dementsprechend ganz von den aus dem gemeinsamen Delta dieser beiden
Flüsse heraustretenden großen Süßwassermengen und ihrer Durchmischung mit
dem Nordseewasser beherrscht wird. Wir bezeichnen es als „Rhein-Maas-
Gebiet“ Bei genauer Betrachtung lassen sich diese Wassermassen aufteilen in
a) eine etwa nach Nordwesten gerichtete „Südliche Zunge“ mit Gegen-
zunge. (Lage: 52° N-Br., 3° O-Lg.)
b) eine nach Norden gerichtete „Mittlere Zunge“ auf etwa 3° 20’ O-Lg.
ec) eine östliche an der Küste sich entlang nach NNO erstreckende „Küsten-
zunge“.