Wrage, W.: Wattbildungen an der nordnorwegiischen Küste, 103
Sandwatt, einzelne ganze Muschelschalen oben auf dem Watt. Im ganzen haben
wir hier eine Bildung vor uns, die das Interesse nicht nur des Geographen, son-
dern ganz besonders das des Geologen und Paläontologen verdient, denn es
handelt sich in dem geschilderten Watt keineswegs um ein Kuriosum. Ich habe
im Lofot zahlreiche derartige Stellen kennengelernt, wenn auch meist von
geringerer Ausdehnung als in dem hier beschriebenen Fall. Sie fielen immer
schon von weitem durch ihre leuchtend gelbweiße Färbung auf, die von den
dunklen Bergzinnen, von dem Wasser und den gegen sie fast schwarz erscheinen-
den bewachsenen und unbewachsenen Schären und Klippen sich derart abhob,
daß man bei freien Wasserflächen schon aus mehreren Kilometern Entfernung
ihre leuchtenden Streifen erkennen konnte. Nur kurz sei erwähnt, daß in diesem
Kalksandwatt, wie ich es nennen möchte, als Oberflächenformen ebenfalls flache
Priele, die fast alle nach O entwässerten (Wind- und Brandungswirkung von W),
wassergefüllte Senken und Rippeln vorkamen. Sogar Vorland mit einem Vor-
landpriel war vorhanden. An tierischen Oberflächenformen fehlten auch hier
nicht Arenicolahäufchen, Zahllose verhältnismäßig große Löcher rührten ver-
mutlich von Klaffmuscheln (Mya) her. Ihre und viele sehr schön erhaltene
Schalen der Seescheidenmuschel (Solen spee.) lagen auf dem Sand, Da, wo Felsen
im Watt liegen, finden sich auch wieder Tange, die an ihnen festhaften.
Nach der Schilderung dieser drei Wattgebiete will ich nur noch kurz ein
viertes erwähnen, das ich nicht auf einer Skizze dargestellt habe, obwohl es für
Norwegen außerordentlich charakteristisch ist. Es handelt sich um die Watt-
gebiete, die in den innersten Winkeln der Fjorde sich finden, Die Fjorde werden
ja in vielen Fällen, wenn es sich nicht um tektonische Quer- und Längstäler
handelt, als durch Gletschererosion entstandene und z, T, untergetauchte Trog-
täler aufgefaßt. Jedenfalls wird bei den allermeisten Fjorden die glaziale Erosion
eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Diese Talformen sind nun oft nur
zu einem Teil eingetaucht und mit Meerwasser gefüllt. Wenn man in solche
Fjorde vom Meere her hineinfährt, verläßt man bald draußen den Schärenhof
und die Küstenplattform mit ihren Siedlungen und taucht in die dunkeldrohende
Schlucht des eigentlichen Fjordes ein. Auf häufig noch außerordentlich tiefem
Wasser fährt man unter steilen Bergwänden entlang, die gelegentlich fast senk-
recht zum Wasser abstürzen und mitunter nicht einmal mehr Vegetation tragen
können. Nähert man sich aber nun dem innersten Winkel des Fjordes, so sieht
man, daß derselbe sich in ein genau so gestaltetes Tal des festen Landes {fort-
setzt, das zwischen steilen Bergwänden sich in das Hochgebirge hineinzieht. An
der Stelle nun, wo das Wasser des Fjordes in den Talboden übergeht, der ja
meist aus Moränenschutt, Sand und Kies und Schwemmland besteht, findet sich
häufig ein breiter Wattstreifen. Er kann sich hier um so eher ausbilden, weil
im innersten Fjordwinkel auch der Stau der Gezeitenwelle besonders groß ist,
so daß der Tidenhub hier höher ist als im übrigen Fjord. Hinzu kommt, daß
der Bach oder Fluß, der meist das Fjordtal vom Gebirge her durchströmt, bei
seiner Einmündung in den Fjord gewöhnlich bedeutende Mengen von Sinkstoffen,
von Sand und Kies ablagert, was die Wattbildung noch wesentlich unterstützt.
Ich bringe zur Illustrierung des hier Gesagten ein Bild vom Rombakfjord, das
aus der Höhe der Ofotbahn aufgenommen ist, die von Lappland nach Narvik
führt. Man erkennt auf der Aufnahme deutlich die steil abstürzenden Fjord-
wände, den Talboden, der in der Nähe des Fjordes in eine Art Vorlandwiese
übergeht und das davorliegende Watt, das den Übergang zum Fjordspiegel dar-
stellt. Auch der Fluß auf dem Talboden ist gut zu erkennen.
In der vorliegenden kurzen Skizze habe ich versucht, einige interessante
Wattgebiete Nordnorwegens, wie sie dem Fremdling während eines natürlich zu
kurz bemessenen Aufenthaltes entgegentraten, zu schildern. Daß trotz der Lücken-
haftigkeit des Berichtes, der bewußt auf alles Quellenstudium verzichtet hat,
eine Reihe morphologisch und geologisch interessanter Bildungen beobachtet
werden konnten, läßt mich eine Bitte aussprechen, die ich besonders an die
nautischen Leser dieser Zeitschrift richten möchte, die auf ihren Fahrten in ab-
gelegene und selten aufgesuchte Gebiete kommen. Durch eine bei einem noch so