Wrage, W.: Wattbildungen an der nordnorwegischen Küste.
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deshalb aufsuchte, um dort u. U. derartige Formen zu finden. Die „Strömmen“
sind Stellen in Fjorden oder auch durchgehenden Sunden, an denen die Wasser-
rinne durch Felsen, Inseln oder Halbinseln derart eingeengt ist, daß die Gezeiten-
strömung dort außerordentlich stark wirkt. Bei einigen der durchlaufenden
Sunden hat die Strömung bei Ebbe und Flut dieselbe Richtung, während bei den
Fjorden, die blind endigen, die Strömung während der Flut hinein- und während
der Ebbe wieder hinaussetzt. Die Strömung kann so stark werden, daß sie
stromschnellenähnlichen Charakter annimmt. In diesem Falle ist das Rauschen
und Brausen der Wassermassen schon in einiger Entfernung wahrzunehmen. Der
Durchfahrt größerer Fahrzeuge stellen sich in einigen Fällen erhebliche Schwierig-
keiten in den Weg, während die Durchfahrt mit kleineren Booten, besonders mit
unseren Faltbooten, dem Kundigen meist leicht möglich ist. In diesen geographisch
zwar außerordentlich interessanten Bildungen der nordnorwegischen Fjorde suchte
ich nach Strombänken vergeblich, wenigstens in den Strömmen, die mir zugäng-
lich waren. Der Grund ist naheliegend. Nur die Einengung durch den gewach-
senen Fels erzeugt diese abnormen Strömungen, Sand und leichteres Geröll
würde bald von der Wasserbewegung derart umlagert werden, daß das Bett er-
weitert und die Strömung nachlassen würde. Andererseits ist durch die felsige
Einengung die Strömung in den meisten Fällen so stark, daß entweder die Ab-
lagerung von Sand und leichteren Sinkstoffen ganz verhindert oder doch zum
mindesten die Ausbildung von Wattgebieten erschwert wird. An Oberflächen-
formen, die ihre Entstehung diesen Strömungen verdanken, konnte ich nur Ge-
röllbänke und Zungen sowie erodierten und glattpolierten gewachsenen Fels
feststellen, wie er von Stromschnellen vieler Flüsse beschrieben ist. Ich hoffe,
daß ein späterer Besuch mir eine genauere Betrachtung dieser Strömmen ermög-
licht und auch über vielleicht doch vorhandene Strombankbildungen usw. Auf-
schluß gibt.
Doch zurück zu dem besprochenen Wattgebiet! Außerhalb des Süßwasser-
prieles traten die Rippeln bald als Strömungsrippeln und bald als Wellengangs-
rippeln auf!). Außer Rippeln und Arenicolahäufchen im Sandwatt, fanden sich
zahllose größere und kleinere Steinblöcke eingebettet im Watt, meist bewachsen
mit Tangen (besonders verschiedenen Fucusarten). Unter den Muscheln fielen die
vielen Schalen der Islandmuschel (Cyprina islandica) und die der Miesmuschel
(Mytilus) auf, die jedoch nicht derartige Bänke bildete, wie bei uns im Watten-
meer. Das toniggraue Schlickwatt hinter der Insel war mit kleinen Steinen
durchsetzt und zeigte als Oberflächenformen flache Priele. Aus der Wattober-
fläche ragte an einzelnen Stellen der gewachsene Fels in Form von niedrigen
glatten Klippen heraus. Auch hier waren die Felsen mit Tang bewachsen und
mit Strandschnecken (Litorina) und Seepocken (Balanus) bedeckt.
An der Insel war an verschiedenen Stellen ein Strand aus Kiessand. Die
Insel selbst bestand ebenfalls aus gewachsenem Fels und zeigte einen Bewuchs
von Moos und Gras und ein Dickicht von Birken und Kiefern, das allerdings
nach allen Richtungen leicht zu durchstreifen war, Die Tierwelt auf der Insel
setzte sich aus riesigen Mengen von Formica rufa, der roten Waldameise, zahl-
reichen sonstigen Insekten und aus Austernfischern, Regenpfeifern, Möven und
anderen Vogelarten zusammen. Während der Niedrigwasserzeit kommt das Vieh
mitunter über das Watt auf die Insel, um zu weiden, wie überhaupt in Norwegen
1) Ich möchte hier den Ausdruck von Dittmer*) Wellengangsrippeln übernehmen im Gegen-
satz zu dem bisher gebrauchten Ausdruck Seegangsrippeln, weil letzterer eigentlich die Windwellen
ausschließt und sich nur auf die gleichmäßig hin- und herpendelnde Wasserbewegung beschränkt, die
die langgestreckten Rippeln mit gleichem Gehänge hervorruft, während bei Windwellen in flachem
Wasser die eine Komponente der Wasserbewegung überwiegt, also im Ganzen gesehen gewissermaßen
eine Strömung auftritt. In diesem Falle bilden sich in flachem Wasser langgestreckte Rippeln mit
uangleichseitigem Gehänge, und zwar weist der Steilhang in Richtung der überwiegenden Kraftkom-
ponente. Da man als Strömung wohl besser nur eine sehr vorwiegend einseitig gerichtete Wasser-
bewegung, die zumeist, wenn auch in einzelnen Fällen nur schwach, turbulenten Charakter hat, auf-
fassen sollte, schließe ich mich durchaus Dittmer an, daß hier von Wellengangsrippeln bzw. von
Windwellengangsrippeln gesprochen werden muß.
2 Vgl. E. Dittmer: Vorland und Watten zwischen Steinloch und Dwarsloch. Arcbivr der
Deutschen Seewarte. Hamburg 1936.