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Aus dem Archiv dev Deutschen Seewarte — 1S9T No. 3 —
eine natürliche Barriere vorhanden, welche das sonst frei durch den Sund und die Belte abfliessende Ostsee
wasser nunmehr zurückhält.
Da sich die ansammelnden Gewässer eineE andern Ausweg suchen müssen, so wird der Strom in dem
Augenblicke auf hören und schliesslich kentern, von welchem ah nichts mehr abfliessen kann. Dass sich
dieser Wechsel verhältnissmässig schnell vollzieht, geht aus der oben gegebenen Zusammenstellung der Strom-
und Windrichtungen für die Monate 1898—95 deutlich hervor und erklärt auch nunmehr ganz ungezwungen
das häufige, gänzliche Fehlen einer Strömung bei SW-Winden. Die zurückfluthenden Massen hemmen zuerst
den ferneren Zulauf von Gjedser her, nehmen ihren Weg dann in die Lübecker Bucht und ziehen einem
andern Ausgang aus der Ostsee zu. *)
Ist jedoch erst eine Abweichung von der gewöhnlich nach SW setzenden Oberflächenschiebung ein
getreten, so lässt sich in den übrigen drei Quadranten unschwer eine Abhängigkeit vom herrschenden Winde
erkennen, denn nach der Tabelle setzt der Strom am häufigsten bei SW-Wind nach NE, bei NW- und SW-
Winden nach SE und bei SE- wie NE-Winden nach NW.
Es erübrigt nun, das fehlende Glied der Kette zu ermitteln: „Wann tritt ein Wechsel der Strömung
ein und welches sind die treibenden Faktoren dieser Aenderung?“
Vielleicht gelingt es, diese Frage mit Hülfe der Winde, die vor der Beobachtung geweht haben, zu
lösen. Zu dem Zwecke ist die folgende Uebersicht zusammengestellt.
1893—95
Strom setzte nach Quadr.
Vo
N
Beob.
r der
E
%
Beobt
S
Beob.
ichtun
E
g wehte der Wind
SW N'
Beob.) i Beob.
aus
W
Quadrant:
0
Beob. I %
NB
152
16
108
11
454
47
249
2572
5
72
SE
126
1672
103
137a
231
30
308
40
0
0
SW
839
22 %
885
24
1044
28
921
25
10
7s
NW
2
4
7
12
19
33
24
41
6
10
0 '
72
17
31
7
158
37
136
33
28
6
Danach scheint der vorhergehende Wind ebensowenig einen Einfluss auf die SW-Strömung, die einmal
die vorherrschende ist, auszuüben, denn der Prozentsatz ist ziemlich gleich für die Winde aller 4 Quadranten
vertheilt. Dagegen bewegt sich das Wasser dann am meisten nach NE, wenn vorher SW-Wind gestanden
hat. Ueberraschen muss dagegen, dass nach vorangegangenem SW und NW häufiger nach NW setzende
Strömung beobachtet wurde, als wenn der W r ind aus dem entgegengesetzten Quadranten, also SE geweht
hat. Nach SE-Riehtungen läuft der Strom dagegen wiederum am meisten, wenn NW-, nicht ganz so häufig,
wenn SW-Winde vorher beobachtet wurden.
Nach der früheren Erklärung der Stauwirkung kann es natürlich nicht mehr befremden, wenn die
Meeresoberfläche nach westlichen Winden am seltensten eine Verschiebung zeigt.
Die Uebersicht ergiebt, dass nach SW-Winden der Strom 158mal, nach NW dagegen 136mal ausblieb,
während vorherwehende NE- und SE-Winde dies nur 103mal im ganzen bewirken konnten.
Es macht ferner keinen Unterschied, oh der frühere oder zur Zeit der Strombeobachtung noch
stehende Wind längere oder kürzere Zeit angehalten hat, denn der Strom läuft mitunter mit grosser
Geschwindigkeit, wenn der Wind noch garnicht lange eingesetzt hat und verliert dagegen wieder an Stärke,
trotzdem der Wind zunimmt und unverändert stehen bleibt.
So ist z. B. u. a. die Periode vom 11. bis 19. Februar 1894 dafür sehr belehrend. Es sind nämlich
am 11. und 12. Februar Winde von SW bis W, Stärke 3 bis 11 und wieder bis 7 abnehmend, beobachtet
worden, während zu gleicher Zeit eine zwischen E, NE und ESE setzende Strömung gefunden wurde, deren
mittlere Geschwindigkeit 0.4 Kn betrug. Der Wind wehte am 13. bis 4 h p. m. noch W7 bis Stärke 5 ab
flauend, während Mitternacht 12./13. garkeine Strömung, am 13. Febr. 4 h a. m. bis 4 h p. m. plötzlich SW 2.0,.
*) Dieses „Abgperren“ betont f. d. Nordsee auch Korv.-Kapt. Holzhauer, Kbt. „Drache“. Ann. d. Hydrogr., 1886, p. 336.