Dir. Fr. Schulze-Lübeck: Die Oberflächenströmungen bei Gjedser-Riff.
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Es bestätigt sich also die alte Annahme der Seefahrer, dass bei „gutem Wetter“ der Strom aus der
Ostsee heraus nach dem Sunde und den Belten zu läuft (pag. 7), bei Gjedser also nicht immer vom Winde
abhängig ist.
Gruppirt man, um dies näher zu beleuchten, die einzelnen Viertelkreise nach den herrschenden Wind
richtungen, so zeigt die folgende Tabelle das ohne weiteres; denn, wie man sieht, ist eine SW-Strömung
zwar für Winde dreier Quadranten ziemlich gleichmässig vertheilt, dagegen am häufigsten gerade bei SW-
Wind, also direkt gegen denselben laufend, beobachtet worden.
1893—95
Strom setzte nach QnaJr.
Wäh
N
Beob.
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S
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Beob.
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)
NE
128
13
69
7
495
51
276
29
0
0
SE
72
9'/2
23
3
247
32
422
55
4
V2
SW
764
20%
892
24
1224
33
809
22
10
V3
NW 1 19
33
19
33
10
17
2
3
8
14
0 118
28
18
4
191 45
98
23
0
0
Einen vorläufig nicht zu erklärenden Widerspruch bildet dabei die Thatsache, dass der Strom, der hei
SW-Wind in 33 von hundert Fällen gerade gegen denselben anläuft, wiederum am häufigsten (45%) ganz
ausbleibt, wenn die Luft genau wie vorher, von SW, fliesst. Betrachtet man jetzt nur diese letztere That
sache, so erklärt sich das Fehlen der Strömung ganz natürlich aus dem Gegendruck, den der vom Winde
verursachte Aufstau bei der langgestreckten Gestaltung des Gjedser-Fahrwassers binnen kurzem bewirken
muss, wie die Untersuchungen A. Colding’s und W. Ferrel’s über die aufstauende Wirkung des Windes
erst in neuerer Zeit genügend klargestellt haben-
Nach diesen Resultaten ergab sich:
1) Ein Luftstrom, der horizontal über ein vorher ruhendes, ringsum abgeschlossenes Wasserbecken daliin-
gelit, wird die Oberflächentheilchen mit sich fortführen und an der Leeküste anhäufen, an der Luv
küste dagegen eine Depression bewirken.
2) Dieser Staueffekt ist direkt proportional der Länge des Wasserbeckens. Je länger dieses ist, desto
weiter kann der Wind ausholen, um die Wassermassen an der Leeküste anzuhäufen.
3) Andrerseits ist der Staueffekt proportional der Windgeschwindigkeit und
4) umgekehrt proportional der Wassertiefe. Er ist also gross bei geringer, kleiner bei beträchtlichen
Wassertiefen.
Es ist nach einer von Colding hierfür aufgestellten Formel von verschiedenen Gelehrten versucht
worden, den Staueffekt für einzelne Wasserbecken zu berechnen.*)
Die komplizirte Berechnung wäre nun wohl nicht ohne weiteres auf vorliegende Verhältnisse übertrag
bar, da man hier kein „ringsum abgeschlossenes Wasserbecken“, was doch Colding voraussetzt, vor sich
hat. Eine Berechnung zum Zwecke der Beweisführung eines vorhandenen Staueffektes erübrigt sich auch
vollkommen, da man nur die Angaben über den Wechsel des Wasserstandes der Dänischen Häfen im
Kattegat und im Sunde zu entnehmen braucht.
Dazu eignet sich ganz vortrefflich das erst vor kurzem erschienene, aus dem Dänischen übersetzte
Werk „Die Dänischen Häfen“ (Reichsmarine-Amt), welches schon früher angezogen wurde.
Untersucht man die von 66 in Betracht kommenden Dänischen Häfen gegebenen Notizen über die
Aenderungen des Wasserstandes im Zusammenhänge mit der Windrichtung, so findet man für die Plätze
an der Nord- und Nordwestküste Seelands und am Sunde, dass ein Ansteigen des Wasserspiegels von 0.5
bis 1.2 m, und an einzelnen Orten noch mehr, bei N- bezw. NW-Winden stattfindet. Es ist also ein Aufstau,
*) AVissenschaftliche Meeresuntersuchung, herausgeg. v. d. Kommission zur Wissenschaft!. Untersuchung d. Deutschen
Meere. Neue Folge I, H. 2. Prof. K. Brandt: über das Stettiner Haff.