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Full text: 20, 1897

Dir. Fr. Schulze-Lübeck: Die Oberfläckenströmungen bei Gjedser-Riff. 
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Archiv 1897- 3. 
Schiffe gelien westwärts nach Kiel oder durch den Belt — die Enge üjedser-Darserort passiren. Aber auch 
diese wenigen, den andern Kurs einschlagenden Fahrzeuge müssen auf ganz dieselben Meeresströmungen 
achten, die im Folgenden zu besprechen sind. 
Das ungefähr 85 Seemeilen lange Fahrwasser von Lübeck bis Möen ist einem Trichter vergleichbar, 
dessen Spitze bei Travemünde ist, dessen Einfüllöffnung aber durch die 29 Seemeilen lange Linie Moens- 
Klint-Dornbusch gebildet wird. Die Trichteröffnung verengt sich nun bei Gjedser bis zur gegenüber liegen 
den Mecklenburgischen Küste auf 19 Seemeilen und entleert sich durch 2 dünnere, über 50 Seemeilen lange 
divergirende Ansätze oder Ausfluss - Kanäle in die Lübecker bezw. Neustädter Bucht und vermittelst des 
10 Seemeilen breiten Fehmarn-Beltes in das westliche Becken, die Kieler Bucht. 
Gerade diese ebengenannten Theile der Ostsee sind sehr wichtig und in jüngster Zeit von erhöhter 
Bedeutung geworden. Denn seit der Vollendung der grossen Wasserstrasse, die Nord- und Ostsee mit 
einander verbindet, vermehrt sich die Anzahl der den Kaiser Wilhelm-Kanal benutzenden Schiffe immer 
mehr und wird aller Voraussicht nach hei günstiger Regelung der Gebühren und Ausgaben noch weiter steigen. 
In der Zeit vom 16. bis 31. Juli 1896 passirten z. B. nach statistischen Angaben 432 Fahrzeuge im 
Durchgangsverkehr. 
Alle diese Schiffe müssen, ebenso wie die von Lübeck. Wismar und Neustadt, sowie Kiel kommenden, 
die durch ein weit sich ausdehnendes Riff bedeutend verengte Stelle bei Gjedser-Darserort passiren. 
Ist auch die Strecke nicht lang, die man in dem „Trichter“ zuzubringen hat — 85 Seemeilen ist oben 
als abgerundeter Werth angegeben — und die Strömung, wie man bisher in Kreisen meiner Gewährsleute 
annahm, sehr gering, selten die Stärke von einer Seemeile in der Stunde erreichend, so kann der geringe 
Betrag dennoch unter Umständen für Schiffe verhängnissvoll werden. Nimmt man z. B. irgend einen unserer 
gewöhnlichen, älteren Ostsee-Frachtdampfer an, der beladen nicht über 8.5 Knoten machen wird, so kann 
jener die fragliche Strecke in ungefähr 10 Stunden zurücklegen. Bei den kurzen Reisen soll man natürlich 
jeden Umweg vermeiden und hält sich, soweit man es mit der sonstigen Sicherheit der Schiffahrt nur irgend 
vereinigen kann, möglichst an den nächsten Weg und geht Untiefen u. s. w. nicht viel weiter, als absolut 
nothwendig, aus dem Wege. 1 furch die stete Gewohnheit, in engem Fahrwasser zu navigiren, wagt man 
ganz anders, wie der Kapitän von langer Fahrt. Wo man also auf einzelne Seemeilen und Zeitstunden, 
womöglich Bruclitheile davon, rechnet, können natürlich 8—10, ja sogar 4—5 Seemeilen „Besteckversetzung“ 
von grosser Bedeutung werden. Deshalb ist es nicht gerade ermuthigend für den Seemann, wenn mau im 
„Segelhandbuch für die Ostsee“, Reichsmarineamt, 2. Aull., III, p. 106, speziell über die Strömungen des Feh 
marn-Belt angegeben findet, was im allgemeinen bereits früher über die Stromversetzung in der Ostsee aus 
gesprochen war: „Bestimmte Angaben lassen sich nicht machen. Da der Einfluss stark und unberechenbar 
ist, muss vorsichtig navigirt werden.“ Auf der folgenden Seite liest man dann weiter: „Der Strom ist unter 
den Küsten stärker als in freiem Wasser; über Stärke und Richtung ist aber wenig bekannt. Bei Gjedser- 
Riff-Feuerschiff setzt er von Ost nach West oder umgekehrt und erreicht nicht selten eine Geschwindigkeit 
von 3—5 Seemeilen.“ 
Nun gaben diejenigen, für welche der soeben zitirte offizielle Rathgeber bestimmt ist, allesammt die 
grosse Unregelmässigkeit gerade bei Gjedser, sowie eine gelegentliche, grosse Geschwindigkeit zu, bezwei 
felten jedoch, dass man eine so starke Strömung antreffen könne. 
Jeder, der dort mehr als einmal passirt, hatte wiederholt die Bemerkung gemacht, dass das Feuer 
schiff oft nicht „auf den Wind“, sondern „auf den Strom geschwoiet“ liege. 
Für den nichtseemännischen Leser dürfte hier einzuschalten sein, dass ein Schiff mit seinem Rumpf 
und Takelwerk natürlich einen bedeutenden Windfang hat und daher in stromfreiem Wasser in Bezug auf 
Anker und Kette schwimmen wird, sobald der Anker fallen gelassen, wie ein am Faden gehaltenes Papier 
blättchen vom Winde wegweht, d. h. der Wind bläst von vorne nach hinten über das Schiff hin. Läuft 
aber Strom, so überwiegt meistens der Andrang des Wassers auf den eingetauchten Schiffskörper den Wind 
druck auf die oberen Theile. Die Lage des ankernden Schiffes wird dann durch diese Wasserverschiebung 
bedingt, es liegt „auf Strom geschwoiet“, der Wind weht seitwärts oder auch wohl von hinten nach vorne 
über das Schiff weg. Bei starker Strömung und heftigem Winde ist letztere Lage für den Seemann die 
ungemüthlichste und erfordert die ganze Aufmerksamkeit des kundigen Schiffers, um dann einen Sturm 
sicher vor Anker abzuwettern. 
Das Feuerschiff von Gjedser, diese wichtige Marke auf der neuen nautischen Hochstrasse des die beiden 
deutschen Meerestheile verbindenden Verkehrs, liegt ziemlich in der Mitte der Enge, etwas näher der däni
	        
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