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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1897 No. 2 —
§ 2. Im Bereiche (1er Strömung des SE-Passates,
d. h. zwischen 10°—30°S-Bi\, sind etwa 10 Stromflaschen ausgesetzt worden und der Seewarte wieder zu
gegangen. Die Richtung der Triften ist natürlich Westen, und zwar NW oder SW, und die auf den üblichen
Stromkarten östlich von Madagaskar sichtbare Stromtheilung in einen nach SW und einen nach NW
gehenden Strom scheint auch von den Flaschenposten bestätigt zu werden; so ist z. B. Flasche No. 18 nur
120 Sm. von No. 38 entfernt mitten im Ozean und im Herzen des Passates ausgesetzt: gleichwohl hat die
erste WNW-Kurs verfolgt bis Pangani (Ostafrika), die zweite aber WSW-Kurs bis zur Strandung an Mada
gaskars Ostküste. Flaschenpost No. 9 wird, da sie südlich von Kap Delgado über Bord geworfen ist, einen
Kreislauf nach Süden, Osten, Norden, und an den Comoren vorbei wieder nach Westen gemacht haben;
denn nur so kann sie offenbar das Kap Delgado selbst erreichen. No. 6 und 14 beweisen den Agulhasstrom,
No. 11 ist noch werthvoller, indem sie zeigt, dass von Madagaskars Südspitze aus das Wasser nicht immer
grade nach Süden zieht, wie es oft dargestellt wird, sondern auch dem Agulhasstrom nach Westen hin sich
anschliessen und das Kapland erreichen kann.
Die auffallendste Reise hat aber eine von dem Bremer Segler „Erwin Rickmers“ im Juli 1890 auf der
Route der heimkehrenden Reisfahrer etwa 150 Sm. im Südosten von Rodrignez-Inseln ausgesetzte Flasche No. 27
gemacht, da sie schon nach 120 Tagen an der NW-Küste (!) Madagaskars gefunden wurde. Nach der Strom-
darstellimg im Atlas des Indischen Ozeans (Hamburg 1891, Tafel 4) ist solche Reise kaum möglich, höchstens
südlich um Madagaskar herum und dann an der Westseite der Insel nordwärts, indem dort häufig nördliche
Gegenströmungen auftreten. Aber der mehrfach erwähnte neue, englische Stromatlas lässt uns ziemlich
sicher den Weg der Flasche festlegen: sie ist erst in W-Richtung bis nahe an Land getrieben, und dann
von 20° S-Br. an unter Land nordwärts; dort ist der Strom stark und vorwiegend nördlich, er wird um so
stärker, je mehr man sich Kap Amber nähert, wobei die landnächsten Wassermengen nach Passiren des
Vorgebirges scharf nach Süden abkurven und damit in die Passandava - Bucht gelangen, wo jene Flasche
strandete.
Der sehr werthvolle Fingerzeig, den diese Flaschenpost giebt, ist der, dass die Theilung der indischen
Südäquatorialströmung vor Madagaskar relativ weit im Süden, auf etwa 20° S-Br., erfolgt, dass also sehr
viel Wasser nordwärts abfliesst, nur wenig Wasser südwärts, ein Verhältniss, welches auch den Strom
intensitäten entspricht.
§ 3. Flaschenposten aus dem Bereiche der „braven Westwinde“.
Aus allen 3 Ozeanen sind Beispiele für die allgemeine Osttrift der höheren südlichen Breiten vorhanden,
aber in sehr verschiedener Zahl: nur 1 Flaschenpost vom Stillen Ozean, nur 4, bezw. 5 vom Südatlantischen
Ozean, alle übrigen sind im Indischen Ozean über Bord geworfen und in Australien, bezw. Neu-Seeland ge
strandet. Innerhalb des Indischen Ozeans sind so ziemlich alle Längen vertreten, es sind Flaschen nicht
bloss von der Höhe des Kaps der guten Hoffnung, sondern direkt von der Agulhasbank (No. 31) ausgegangen,
andere haben bei den Kerguelen, wieder andere nahe hei Australien ihren Weg begonnen.
Gemeinsam ist allen diesen Flaschenposten ausnahmslos die Bewegung nach Osten, und zwar meist
nach OzN—ONO. Diese nördliche Komponente ist ungemein charakteristisch, sie bestätigt das, was man
an Bord der Schiffe nach den Besteckdifferenzen auch schliessen muss, dass die grosse südhemisphärische
Ostströmung eine ausgesprochene Neigung hat, nach links hin abzubiegen. Nur dadurch wird es auch er
klärlich, dass wir soviel Flaschen überhaupt wieder erhalten; wäre eine nur geringe Südkomponente vor
handen, so würden die Flaschen wohl fast sämmtlich zu Grunde gehen.
Auch die einzige, hierher gehörige Flaschenpost aus der Mitte des südlichen Stillen Ozeans (s. Taf. 6)
hat eine Richtung nach O'/zN eingehalten und ist an der Westküste Chiloes gefunden worden. No. 1 und 2
(Stiller Ozean), ebenfalls an der südchilenischen Küste angeschwemmt, haben NO-Ivurs befolgt, aber dieser sehr
nördliche Kurs ist schon nicht mehr der Kurs der freien Windtrift, sondern eine durch die Küste bedingte
Stromrichtung; dasselbe gilt andererseits von Flasche No. 43, die, westlich von Feuerland ausgesetzt, süd-
ostwärts gegangen ist, das Kap Horn passirt und die Falklands-Inseln mit Nordkurs erreicht hat; ein Be
weis, dass östlich vom Kap Horn soviel Wasser von der östlichen Hauptströmung links abschwenkt, dass
auch eine rein nördliche Strömung noch zu Stande kommt, die ja auch sonst nachgewiesen worden ist. 1 )
l ) Siehe z. B. Handbuch der Ozeanographie, II. Seite 443 ff.