Dr. Gerhard Schott: Die Flaschenposten der Deutschen Seewarte.
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möglich sein dürfte. Von den zahlreichen, auf Südbreite mitten im Südäquatorialstrom oder an seiner linken
Kante abgesandten Flaschen ist aber keine an der Guianakiiste gelandet, obwohl solche Triften an sich viel
erklärlicher wären!
Alle in der Trift des SE-Passates schwimmenden Flaschen schlagen, soweit sie in diesem § überhaupt
besprochen werden, eine NW-Richtung ein und sind bis zur Ostküste Floridas hin gefunden worden, sodass,
da Beispiele von Triften aus der Floridastrasse direkt nach Irland u. s. w. auch vorliegen, der Beweis, dass
südhemisphärisches Wasser bis in unsere Gewässer gelangt, auch an der Hand dieses Materials erbracht wird.
Dabei ist der Umstand besonders beachtenswerth, dass Wassermassen des Südäquatorialstromes manch
mal nicht in das Karaibische Meer — wie dies die Regel ist —, sondern am Aussenrand der kleinen An
tillen in hoch nördlicher Richtung, also dem NE-Passat fast entgegen fliessen, um schliesslich in die Nord
äquatorialströmung, soweit sie nördlich der grossen Antillen ziehend den sogenannten „Antillenstrom“ bildet,
sich einzufügen. Etwa ein Dutzend Stromflaschen setzen, wie ein Blick auf Tafel 1—3 lehrt, voraus, dass
eben luvwärts der kleinen Antillen der Strom die Flaschen nach N und NNW geführt hat, eine Voraussetzung,
die übrigens mit Ergebnissen des amerikanischen Vermessungs-Fahrzeuges „Blake“ gut übereinstimmt, auf
welchem man wiederholt starken Nordstrom, selbst bei kräftigem NE-Passat, in der Gegend von Barbados
u. s. w. konstatirte. Das interessanteste Beispiel ist die schon erwähnte Flasche No. 363 (Tafel 2), welche vom
Dampfer „Bahia“, Kapt. Schreiner, am 26. April 1894 in 3° 18' S - Br. 30°36'W-L. ausgesetzt und bereits
am 10. Oktober 1894 in 23°38'N-Br. 74°57'W-L. auf Rum Cay (Bahamas) gefunden wurde; die Stromflasche
hat sicher den in der Karte angegebenen Weg genommen, und ist nicht etwa in das Karaibische Meer und
von da durch eine der Passagen zwischen den grossen Antillen nach den Bahamas gelangt, denn in den
Passagen herrscht kein ausgehender Strom nach N, sondern nur Gezeitenbewegung und Neigung zu Triften
vor dem Passat. No. 363 hat ausserdem bei 3078 Sm. Distanz eine sehr beträchtliche tägliche Versetzung
(mindestens 18.4 Sm.) gehabt und ist ein Beweis für den schon erwähnten Antillenstrom, dessen die Hydro
graphie so dringend bedarf, wenn sie die gewaltige Ansammlung warmen Wassers in den höheren Breiten
des Nord atlantischen Ozeans erklären will. Für die Existenz dieses Antillenstromes sprechen ferner No. 49,
175 und 277 (Tafel 2), No. 219, 22. 60, 152 (Tafel 3); z. Th. sind die Flaschen auf den Bahamas, z. Th. auf
den Bermudas gefunden.
Freilich haben wir auch mehrere Triften grade aus dieser Gegend, über deren Verlauf gar nichts Be
stimmtes sich sagen lässt. Da ist zunächst No. 237 (Tafel 1), welche vom Vollschiff „Georg“, Kapt. Scholtz,
auf der Reise von Havre nach New York (Passatroute) am 7. Februar 1890 einige 150 Sm. im SSW der
Bermudas ausgesetzt und bereits 49 Tage später auf einer der Turk-Inseln (Bahamas) gefunden worden ist;
es giebt dies einen Generalkurs nach SSWVjW und eine Distanz von 542 Sm., täglich 11 Sm. Sehr grosse
Umwege kann daher die Flasche nicht gemacht haben; um so auffälliger bleibt dann die Richtung der Trift,
da man hier NW-Richtung erwartet. Es ist ausserdem damals, nach Ausweis des Schiffsjournales (No. 3405),
durchaus kein NE-Passat in der Gegend vorhanden gewesen, es wurden vielmehr sehr leichte umgehende
Winde (NW—SW 2—1 am 6. Febr., SW—SSE 2—1 am 7. Febr. und SEI—3 am 8. Febr.) beobachtet und
Versetzungen nach NO 10 Sm. (am 7. Febr.) und nach Nord 16 Sm. (am 8. Febr. in 30°28'N-Br. 66° 52' W-L.)
bemerkt.
Eine gleiche Generalrichtung ergiebt sich für Flasche No. 241 (Tafel 2) in derselben Gegend; da aber
4 Jahre zwischen Abgang und Fund liegen, ist eine volle Umkreisung des Nordatlantischen Ozeans im Sinne
der Uhrzeigerbewegung für diese Trift wohl annehmbar. Ganz das Gleiche gilt endlich von No. 113 (Tafel 3),
welche, im Westwindgebiet abgesandt, in 3 */2 Jahren auf direktem Wege nur 550 Sm. bis zu den Bermudas
gemacht haben würde. 1 )
Eine Umkreisung des Nordatlantischen Ozeans wenigstens zu 3 /4 des Umfangs ist für das Wrack des
amerikanischen Schooners „Alma Cummings“ nachweisbar, dessen Position 4 mal bestimmt worden ist, sodass
wir nach diesen Meldungen 2 ) auf Tafel 1 durch meist gradlinige Verbindung der Positionen den ungefähren
Verlauf der Bewegung eintragen konnten. Es ergeben sich als Minimalwerthe für die Strecke
*) Aus der Gegend zwischen Bermudas und Bahamas geben auch die amerikanischen Flaschenkarten Beispiele sowohl
von Kursen nach NO, wie nach S, SW. kurzum, ganz variable Wege.
2 ) Nautical Magazine, 1896, S. 973.