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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1897 Ko. 2 —
um das Nordkap geschwommen und östlich davon, in der Nähe von Vadsö, unter rund 70° N-Br.. 30° O-L.
gefunden worden ist.
Recht lehrreich für die Frage, welche Wege die Stromflaschen in Wirklichkeit auf See einschlagen
mögen, ist eine Betrachtung der verschlungenen Route, die das Wrack des amerikanischen Schooners
„W. L. White“ befolgt hat; auf Tafel 1 ist sie nach der Supplementkarte zur „Pilot Chart of the North At
lantic“ Februar 1889, eingetragen. Der Schooner war am 13. März 1888 auf der Breite von Baltimore und
in 80 Sm. Abstand vom Lande verlassen worden, trieb bis Anfang Mai verhältnissmässig schnell mit dem
Golfstrom nach NO bis über die Neufundlandbänke hinaus, worauf er dann, nach den sehr zahlreichen
Meldungen der Schiffe zu urtheilen, welche das Wrack in dieser Gegend gesehen haben, eine ganz ausserordent
lich verschlungene Route eingehalten hat, bald nach N, bald nach S, W und 0 treibend auf dem Raume
zwischen ungefähr 45° N-Br.—51° N-Br. und 45°—35° W-L. Das Wrack ist daselbst offenbar in den Bereich
bald des Golfstromes, bald des Labradorstromes gerathen und dadurch in so auffallender Weise von Anfang
Mai bis Ende Oktober auf vergleichsweise beschränktem Raume umhergeirrt. Der letzte Theil der Trift
bis zu den Hebriden (23. Januar 1889) verläuft gradliniger, doch muss dahin gestellt bleiben, ob dies that-
sächlich der Fall war, denn das Wrack ist während dieser Zeit nur einmal (29. November) gesehen worden.
Immerhin dürfte der Grundzug der Trift ganz gut durch die auf Tafel 1 eingetragene Linie gekennzeichnet
werden; auf der amerikanischen Seite, südlich von 45° N-Br., sind wohl thatsächlich in kurzer Zeit und auf
verhältnissmässig graden Kursen grössere Distanzen unter unmittelbarer Wirkung des Golfstromes zurück
gelegt worden, obwohl damals, zu Anfang der Irrfahrt, von den 3 Masten noch 2 theilweise standen und
das Wrack somit auch dem Windeinfluss etwas unterworfen gewesen sein könnte. Aber schon am 30. Mai
ist, nach der Meldung des Ivapt. Bödeker vom deutschen Dampfer „Braunschweig“, das Hauptdeck unter
Wasser, und von da also das Wrack ausschliesslich mit dem Strom getrieben, sodass grade die Zickzack-
Fahrten östlich von Neufundland wirkliche Stromtriften sind. 1 )
Bei dieser Sachlage lässt sich nun ermessen, in welcher durchaus nicht angebbaren Weise viele Strom
flaschen, von denen eben nur Abgang- und Fundstelle bekannt werden, in manchen Gegenden abweichen
mögen von den Kursen, die auf unseren Karten die wahrscheinliche Triftrichtung angeben sollen. In den
grossen Aequatorialströmen und anderen ausgeprägten Strömungen dürften aber die Abweichungen doch
nicht sehr gross sein.
Geschwindigkeit der Triften. Es geht aus dem eben Gesagten noch besonders dies klar hervor,
dass die in der vorletzten Kolumne der Tabellen gegebene mittlere Geschwindigkeit immer nur eine Minimal
zahl ist, die nur in den seltensten Fällen annähernd der wirklichen Zahl entsprechen wird.
In fast jeder Gruppe unserer Flaschenpostzettel sind nun einige Nummern vorhanden, auf welchen vom
Finder der besondere Vermerk gemacht ist, entweder, dass die Flasche dicht am Ufer schwimmend aufge
fischt worden sei, oder, dass die Flasche jedenfalls erst vor kurzem angetrieben sein könne, oder ähnliches mehr.
*) Andere Wracks, die noch weit über die Wasseroberfläche ragen oder gar noch Masten mit Segeln stehen haben,
treiben dagegen direkt mit den jeweiligen Winden. Das interessanteste Vorkomnmiss in dieser Beziehung ist die ganz ver
schiedene Trift der 2 Hälften des von dem Schnelldampfer „Trave“ zerschnittenen Schooners „Fred ß. Taylor“ (s. Carton
auf Tafel 2). Die Kollision erfolgte am 22. Juni 1892 in 40° 19'N-Br. 6S°23'W-L. Der Bug trieb tief im Wasser und folgte
daher dem kühlen, nach SW setzenden Küstenstrom, welcher zwischen Golfstrom und Küste sich einschiebt; dabei waren
nach Ausweis der vom Dänischen Meteorologischen Amt und der Deutschen Seewarte herausgegebenen „Täglichen synop
tischen Wetterkarten vom Nordatlantischen Ozean“ während der Zeit bis Ende Juli im Triftgebiet dieses Bugtkeiles fast
durchweg SW-Winde vorherrschend, die aber das Vorwärtsschreiten nach SW nicht zu hindern im Stande waren; nur im
August sind für mehrere Tage auch nördliche und nordwestliche Winde verzeichnet. Der Hecktheil anderseits hat wohl von
Anfang an dem Winde mehr Fläche geboten, sodass dieser eine genau entgegengesetzte Richtung, nach Norden, eingeschlagen
hat, unmittelbar vor den SW-Winden treibend. Vom 23- Juli bis zu der am 7. August südlich von Portland erfolgten Stran
dung zeigt aber unser Kärtchen einen WSW-Kurs des nördlichen Wrackstückes; dazu passt vorzüglich, dass nach den
Wetterkarten mit dem 28. Juli (für die Zeit vom 23. Juli bis 2. August liegt keine Meldung über das Wrack vor) an diesem
Theil der Küste Ost- und Nordostwinde einsetzten, die andauernd waren und nunmehr das Hecktheil zur Küste trieben.
Einzig steht übrigens dies Beispiel zweier von demselben Ort und zu derselben Zeit ansgegangener und doch nach
ganz verschiedenen Gegenden gelangter Treibkörper nicht da; in der Flaschenpost-Sammlung der Seewarte sind 2 Zettel
(s. Tabelle 1, d, No. 352 und I, e, No. 424), welche gleichzeitig am 24. Februar 1893 in 1°44'N-Br. und 27° 16'W-L. abgesandt
sind, von denen aber der eine am S. März 1S94 an der Nicaragua-Küste (Kurs etwa W a /«N), 4er andere am 8. September 1893
an der Sierra Leone-Küste (Kurs NOzO) gefunden wurde! Hier ist eine Erklärung viel schwieriger, weil ja beide Flaschen
von ganz gleicher Beschaffenheit waren und einer Einwirkung von Wind oder Strom in gleicher Weise hätten unterworfen
sein sollen. Siehe dazu den Text in § 4 und § 5.