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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1897 No. 2 —
aber die Trift nach Norden führt zu der Vorstellung, dass durch Weststürme das Wasser in der Bucht vor
der Elbmündung so gestaut wird, dass es keinen anderen Ausweg als nach Norden hin findet.
Dass in einem Meere wie der Nordsee, welches zwar Tendenzen zu bestimmten Stromrichtungen, aber
doch keine ausgeprägten Stromrichtungen aufweist, die Winde im Uebrigen manchmal den Ausschlag fin
den Verlauf von Flaschenreisen geben, ist klar. So dürfte die Flasche No. 17 (Tafel 2), die einzige, welche
an den Ostküsten Grossbritanniens (nach 38 Tagen) gefunden worden ist, lediglich in Folge einer zeitweiligen
Oberflächentrift, die von den während der zweiten Hälfte des Mai und der ersten Flälfte des Juni 1891
durchaus vorherrschenden Ost- und Nordwinden bedingt war, bei Peterhead ans Land gespült sein. Auffallend
ist noch No. 11 (Tafel 1), welche auf der Höhe von Borkum im Februar 1884 abgesandt und an der West
küste der Shetlands-Inseln nach 85 Tagen gefunden wurde: die Winde während der nächsten 3 Wochen
nach der Absendung waren im Gebiete der Nordsee durchweg starke SW-, dann S- und SSO-Winde, welche
die Trift nach NWzN bestimmt haben mögen. Schliesslich ist erwähnenswerth, dass von der Eidermündung
aus eine Post (No. 8, Tafel 1) ihren Weg in 65 Tagen bis 62°N-Br., halbwegs zwischen Bergen und Trondhjem
gemacht hat.
§ 2. Die im Westwindgebiet nördlich von 30°N-Br. abgesandten Flaschenposten.
Es handelt sich hier hauptsächlich tun eine Besprechung der im Golfstrom abgesandten Flaschenposten,
soweit sie auf den Azoren, Madeira und den Canarischen Inseln einerseits, andererseits an den festländischen
Küsten von Marocco an nordwärts gefunden worden sind, d. h. an der spanisch-portugiesischen und der
französischen Küste, ferner an den Küsten der englischen Inseln und bis nach Island und Norwegen hin.
Richtungen der Triften. Mustern wir die auf Tafel 1—3 eingetragenen Triften durch, so finden
wir, dass die Abgangsorte deijenigen Flaschen, welche irgendwo nördlich von Kap Finisterre angetrieben
sind, mit einer einzigen Ausnahme auch nördlich von 40° N - Br. ausgesetzt worden sind, und zwar meist in
der östlichen Hälfte des Ozeans, sagen wir: östlich von 40°W-Lg. Der südlichste Ausgangspunkt dieser
nordöstlick gegangenen Flaschen ist 40°0'N-Br. in 32°20'W-Lg., d. h. etwa 100 Sm. westlich von Flores:
Flasche No. 37 (Taf. 1) trieb von da bis zur Küste von Norwegen in 65°N.-Br. Im allgemeinen schwimmen
aber die in der Azoren-Gegend abgesandten Flaschen nach SO lind Süden, und die mittlere Lage der
vielgesuchten Trennungsstelle des nordöstlichen Zweiges des Golfstromes von dem nach
Südosten zu den Canarischen Inseln ziehenden Zweige liegt unter den Längen der Azoren
durchschnittlich auf mindestens 43°—44°N-Br., wie die Triften zeigen. Manchmal, aber selten, sind
auch von noch höherer Breite als 43°N-Br., der ungefähren Breite von Kap Finisterre, Flaschen nach
Süden gegangen, so z. B. Ko. 127 (Taf. 3) von 46°33'N-Br. 36°46'W-Lg. aus nach den Azoren und No. 60
(Taf. 3) von 46° 21' N-Br. 19°4' W-Lg. nach den Bermudas. Dies sind aber Ausnahmen.
Fürst Albert von Monaco hat während seiner oben erwähnten Versuche 1 ) im Jahre 1886 auf
20° W-Lg. zwischen 42° und 50°N-Br. 510 Schwimmer ausgesetzt; von diesen sind die zwischen 42° und
45°N-Br. abgesandten sämtlich, soweit sie wiedergefunden sind, nach SO getrieben, die nördlich davon
abgesandten aber nach 0 und NO. Darnach liegt also die Trennungsstelle der 2 Stromzweige hier, d. h.
halbwegs zwischen Azoren und dem Festland etwas nördlicher, auf 45°N-Br., was gut zu dem Faktum
passt, dass die nahe der spanischen Halbinsel, aber nördlich von Kap Finisterre, abgesandten Flaschen
meist nicht nach NO, sondern nach OSO gehen und an der Nordküste Spaniens bis in den innersten Winkel
der Biskaya-Buclit hin wieder gefunden wurden. — Auf Tafel 1 ist nach diesen unseren Flaschenposten die
Grenzlinie angegeben; die geschlängelten Pfeile bedeuten die vorwiegende Bewegungsrichtung des Wassers.
Für die westliche, amerikanische Hälfte des Ozeans lässt sich nicht mit nur einiger Wahrscheinlichkeit
sagen, von welcher Breite an die Flaschen einen in der Hauptsache nordöstlichen oder südöstlichen Weg
einschlagen werden.
Es sind Flaschenposten verzeichnet, die, unter den geographischen Längen der Neufundlandbänke aus
gesetzt, vom Nordrande des Golfstromes ausgehend schliesslich nach SO zu der Azoren-Gegend gelangt
sind, siehe z. B. No. 59 (Taf. 3) und No. 72 (Taf. 2). Diese Flaschen haben also die ganze Breite des eigent
lichen Golfstromes sozusagen durchsetzt in der Richtung von NW nach SO. Der umgekehrte Fall, dass
Flaschen, welche am Südrand des Golfstromes ihren Weg begonnen haben, statt nach SO, nach NO zu den
europäischen Küsten gelangt sind, ist offenbar viel seltener, in der Sammlung der Seewarte durch kein Beispiel
’) Siehe Seite 3.