Dr. G. Neumayer: Anemometer-Studien auf der Deutschen Seewarte.
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Der Mittelwerth der Itesultirenden für eine ganze Umdrehung ist hiernach:
M =
V
2?c
SV
, . V '~ ' iv ü 7 0
1 4- -=«■ ^ cos & d-D-
V.~ V
'1 1 +
4U
1 v*
64 Y* + ‘
Ist v gegen V klein, so kann man die Reihe mit dem zweiten Gliede abbrechen. Man sieht daraus,
V V
dass die Resultirende für v = — um 6°/o, für v — — nur um 1.6% grösser ist als die Geschwindigkeit
der Anemometeraxe, dass also Hazens Erklärung nicht genügt, da die beobachteten Abweichungen grösser
sind als 6%, während die Geschwindigkeit des freien Windes nicht grösser als ein Viertel der Anemometer-
Geschwindigkeit angenommen werden darf, in welchem Falle eine Korrektion von nur 1.6% erforderlich ist.
Aber selbst, wenn man Hazens Erklärung annehmen wollte, so müsste das Helikoid-Anemometer ähnliche
Abweichungen zeigen. Der von ihm angeführte Grund für die gleichförmigen Resultate desselben ist eben
falls nicht stichhaltig, insofern die Fahne die Tendenz hat, sich in die Richtung der momentanen Resul-
tirenden, nicht aber normal zum Arm zu stellen; das Helikoid-Anemometer wird also genau in derselben
Weise, wie das Robinsonsche beeinflusst. Da nun das erstere vollkommen übereinstimmende Resultate
ergab, liegt kein Grund vor, die Angabe, dass der Wind die Geschwindigkeit 2 m nicht überschritten habe,
in Zweifel zu ziehen.
Marvin giebt eine andere Erklärung, die auf der Thatsache basirt, dass der Druck auf die konkave
Seite der Schalen viel grösser ist als der auf die konvexe Seite derselben wirkende; nach Dines 1 ) ist das
Verhältniss derselben 132:45 für eine 9zöllige, 126:55 für eine 5zöllige Schale. Marvin schliesst nun aus
dieser Thatsache, dass, wenn die Schalen eine Geschwindigkeit haben, die grösser ist als die der Wind
geschwindigkeit entsprechende, die Verzögerung geringer ist als die Beschleunigung, die sie erfahren,
wenn ihre Geschwindigkeit kleiner ist als die der Windgeschwindigkeit entsprechende. Die Schalen werden
also hei abnehmender Geschwindigkeit längere Zeit weiter rotiren, als sie Zurückbleiben, wenn die Wind
geschwindigkeit wächst. Daraus folgt, dass die mittlere Geschwindigkeit der Schalen, die einem ungleich
förmigen Wind ausgesetzt sind, merklich höher ist als sie sein würde, wenn ein gleichförmiger Wind
weht, dessen Geschwindigkeit gleich der mittleren Geschwindigkeit des thatsächlich wehenden Windes ist.
Da nun die resultirende Geschwindigkeit bei Rotationsversuchen im freien Winde sich kontinuirlich zwischen
weiten Grenzen ändert, so folgt, dass die mittlere Geschwindigkeit der Schalen grösser ist als der mittleren
Itesultirenden entsprechen würde. Bei dem Helikoid-Anemometer, das nicht durch die Druckdifferenz ge
trieben wird, kann diese Erscheinung nicht eintreten und es erklären sich damit die Abweichungen hei dem
Robinsonschen und die gleichförmigen Resultate des Helikoid-Anemometers. Aus dem der Marvinschen
Erklärung zu Grunde liegenden Prinzip folgt weiter, dass ein Robinson-Anemometer, dessen Konstanten
auf einem Rotationsapparat bei gleichförmiger Bewegung bestimmt sind, bei Anwendung im freien Winde
zu hohe Resultate liefern muss. Die Grösse der Abweichung wird vom Trägheitsmoment der rotirenden
Theile und von der Natur und Grösse der Variationen der Windgeschwindigkeit abhängen. Da letztere sich
schwerlich bestimmen lassen, jedenfalls aber viel zu komplizirt sind, um in eine praktisch verwendbare
Formel eingehen zu können, so wird man mit dem Robinson-Anemometer nur dann genaue Resultate
erhalten können, wenn das Trägheitsmoment desselben sehr klein ist gegen den Winddruck.
Um seine Anschauungen zu prüfen, verglich Marvin ein äusserst leichtes, aus Papierkegeln kon-
struirtes Anemometer mit dem gewöhnlichen Anemometer des Signal Service im freien Winde. Entsprechend
seiner Ansicht zeigten sich bei diesen Vergleichungen bei niedrigen Geschwindigkeiten grosse Abweichungen,
während die Uebereinstimmung um so gi’össer wurde, je mehr man sich den Maximal - Geschwindigkeiten
näherte. Im allgemeinen ergab sich die nach dem Anemometer des Signal Service bestimmte mittlere Wind
geschwindigkeit um etwa 10% höher als die mit dem kleinen Instnxment erhaltene. Bei den über dem
Mittelwerthe liegenden Einzelgeschwindigkeiten zeigten sich der Theorie entsprechend gei-ingere Abweichungen
als bei den unter demselben befindlichen, und zwar schien es, als ob der Betrag der Abweichungen nicht
von dem Werthe der thatsächlich stattfindenden Einzelgeschwindigkeit abhängt, sondern von dem Verhältniss
der letzteren zum Mittel der ganzen Reihe.
Die Versuche Marvins führen also zu dem Resultat, dass das Trägheitsmoment eines Robinson
schen Anemometers, wie schon von Stokes (a. a. 0., S. 170) angedeutet, einen nicht unerheblichen Einfluss
>) H. W. Dines, Proc. R. Soc. L, 51.